Dortmund. Martina Bönisch ist tot, die Dortmunder Kommissare ermitteln als Trio weiter. Kann das funktionieren? Der neue Fall gibt Antwort.

Abgeranzt der Parka, schmuddelig die Hose und die Schuhe. Struppig der Bart, zottelig das Haar. Keine Frage, der Mann, der früh am Morgen irgendwo in einem Waldstück die Scheibe des Autos freiwischt, in dem er geschlafen hat, hat schon bessere Tage gesehen. Dabei ist er weder obdach-, noch mittellos. Von der Polizei ist er, Kripo sogar. Peter Faber (Jörg Hartmann) heißt er, ist zurzeit aber krankgeschrieben, weil seine Kollegin vor seinen Augen erschossen worden ist.

„Du bleibst hier“ (ARD, 20.15 Uhr), hat die sterbende Martina Bönisch (Anna Schudt) ihm aufgetragen, wohlwissend, wie oft Faber schon davor stand, sich selbst aus dem Leben zu verabschieden. Und Faber hat gesagt. „Versprochen.“ Deshalb versucht er irgendwie fertig zu werden mit der Situation. Äußerlich verschlissen, innerlich zerrissen.

Hauptdarsteller als Drehbuchautor

Faber und sein „Vadder“. Nach vielen Jahren treffen sie sich erstmals wieder
Faber und sein „Vadder“. Nach vielen Jahren treffen sie sich erstmals wieder © WDR/Bavaria Fiction GmbH/Thomas | Bavaria Fiction GmbH

Das Drehbuch zum ersten Dortmunder Tatort nach dem Ausstieg von Schudt, hat Hartmann – unterstützt vom erfahrenen Co-Autor Jürgen Werner - zum größten Teil selbst entwickelt. Er habe den TV-Tod der Kollegin aufgegriffen und eingearbeitet in eine Geschichte, die er „schon seit Jahren im Kopf hatte“. Besonders wichtig, sagt Hartmann, sei ihm dabei gewesen, „der Trauer um Frau Bönisch, dieser schmerzlichen Leerstelle, dem Verlust genug Raum zu geben“. Das ist ihm gelungen. Gleichzeitig aber hat er der Figur, die er seit über zehn Jahren spielt, eine ganze Folge auf den Leib geschrieben.

Eingebettet ist das alles in einen neuen Fall, der die Dortmunder Ermittler Jan Pawlak (Rick Okon) und Rosa Herzog (Stefanie Reinsperger) lange vor ein Rätsel stellt. Im Westpark ist eine große, frische Blutlache entdeckt worden. Eine dazu passende Leiche aber gibt es nicht. Allerdings wird Andreas Richter, Chef einer Dortmunder Immobilienfirma, vermisst. Häuser rund um den Park hat er in den letzten Jahren aufgekauft, um aus Mietwohnungen Luxusappartements zu machen. Beliebter hat ihn das in Dortmund nicht gemacht. Und er ist nicht der einzige, der verschwunden ist. Auch ein Dealer aus dem Park ist seit einigen Wochen wie vom Erdboden verschluckt.

Reise in die Vergangenheit

Einer, der sie beide kannte und nicht mochte ist Josef „Jupp“ Faber (Wolfgang Rüter) – der Vater des Kommissars. Seit Jahrzehnten ist der Kontakt zwischen beiden abgebrochen, weil der Sohn dem Vater die Schuld am frühen Unfalltod der Mutter gibt. Aber trägt er die wirklich? Und ist er vielleicht sogar ein Mörder? Um das heraus zu finden, tritt Faber eine für ihn oft schmerzhafte Reise in die Vergangenheit an. Er taucht ein in sein altes Viertel und besucht dabei Orte und Menschen aus seiner Kindheit. Was im Falle eines Friseursalons samt weiblicher Dauerwellen-Kundschaft schon parodistische Züge trägt.

Kommissar Faber trauert um seine Kollegin
Kommissar Faber trauert um seine Kollegin © WDR/Bavaria Fiction GmbH/Thomas | Bavaria Fiction GmbH

Faber ermittelt parallel zu seinem Team und ist bis zum etwas lang geratenen Finale in der Dortmunder Unterwelt meist schneller als Herzog und Pawlak. Trotzdem gibt es noch Platz für eine Kirchenszene, in der er und Boenisch auf ihre ganz eigene Weise endgültig voneinander Abschied nehmen. So etwas kann schnell kitschig werden, ist hier aber berührend. „Du bleibst hier“ zeigt alle Facetten des Peter Fabers. Ein Mann zwischen Wut und Trauer, Ratlosigkeit und Geistesblitz, gerade noch ruhig bis an den Rand der Bewusstlosigkeit, Sekunden später ein brodelnder und tobender Vulkan.

Ein Mann zwischen Wut und Trauer

Am Ende dieser über weite Strecken grandiosen Einmannschow Hartmanns ist nicht nur der Fall gelöst. „Du bleibst hier“ ist ein gelungener Neubeginn. Aber es ist einer, der nicht alles wieder auf null setzt. Viele alte Probleme der Figuren werden wieder aufgegriffen, gleichzeitig aber werden - gerade für Faber – auch erste Fäden ganz frischer Handlungsstränge ausgerollt. Der Dortmunder Tatort steht vor interessanten Zeiten.