Köln. Die Welt im „Veedel“ ist hart, und der Pate hat das Sagen. Warum der Kölner „Tatort: Schutzmaßnahmen“ ein starker Krimi-Start ins Jahr ist.
Die Wirtin steht einsam hinter dem Tresen, ein alter Schlager plärrt im trüben Licht – die olle Kneipe hat ganz gewiss die besseren Zeiten lange hinter sich. Auf der Straße staut sich der Verkehr vor dem Häuser-Einerlei. Und vom persischen Restaurant bleiben nach einem Brandanschlag nur rauchende Trümmer übrig. Der Täter selbst kommt ums Leben, weil er niedergeschlagen wird, als sich die Flammen ausbreiten.
Nein, von der Veedel-Folklore, mit der Kölner Nichtkölner im Gespräch so gerne einlullen, ist nun 90 Minuten lang nichts zu sehen: Im „Tatort: Schutzmaßnahmen“ ist für Verklärung kein Platz.
Schmuddelbilder passen perfekt zur Stimmung
Julia Jalnasows Kamera produziert die perfekten Schmuddelbilder, die zur gedrückten Stimmung passen. Jeder guckt, dass er hier einigermaßen über die Runden kommt. Man hilft sich im Viertel, ja, der Satz fällt sogar -- aber es ist freilich der Pate, der ihn ausspricht, ein Feinkost-Großhändler, der in den Straßen das Sagen hat. Und was der darunter versteht, ist erwartungsgemäß eher zum Fürchten für die Nachbarn: Wem er Geld leiht, den hat er in der Hand.
Manfred Zapatka, eh’ einer der Großen des deutschen Schauspiels, liefert hier ein weiteres darstellerisches Glanzstück ab. Die Gefährlichkeit dieses Victor Raschke liegt im Stillen, in den Nuancen, den kaum merklichen Gesten und Bewegungen, der schnarrenden Stimme. Wenn der alte Raschke Nüsse knackt, während er einen Auftrag erteilt, kann man spüren, warum sein Zuhörer am liebsten sofort wegrennen möchte.
Verkohlte Leiche im Restaurant
Die verkohlte Leiche von Raschkes Sohn wird im zerstörten Restaurant gefunden, er war zuvor mit dem rechtsradikalen Mob durch die Straßen gezogen, ehe er Feuer legte. Raschke will natürlich nicht erst warten, bis die Polizei den Täter hat, sondern will ihn selbst in die Finger kriegen. Sein zweiter Sohn, eine üble Hooligantype (Paul Wollin) soll Druck machen.
Eine klassisches Krimithema, sicher, aber Nina Vukovic (Regie) und Paul Salisbury (Drehbuch) haben mehr vor. Der Fall treibt Max Ballauf (Klaus J. Behrendt) und Freddy Schenk (Dietmar Bär) auseinander. Denn das Restaurant, das dem Anschlag zum Opfer fiel, gehört Schenks Tochter (Natalie Spinell) und ihrem persischen Freund (Timur Isik). So biegt sich Freddy plötzlich die Ermittlungsspielregeln zurecht, weil er den Schutz der Familie über alles stellt. Angetrieben von dem schlechtem Gewissen, über seine Tochter die wichtigen Dinge des Lebens nie wirklich gewusst zu haben. Und schau an, Dietmar Bär löst sich mit Bravour aus der Umklammerung seiner sonstigen Rolle.
Mühsam zugekleisterte Lebenslügen
Vor allem aber bietet dieser „Tatort“ eine starke Milieustudie, in der all die verzwickten Verwicklungen und mühsam zugekleisterten Lebenslügen, die großen und kleinen Familiendramen, die das starke Drehbuch auffährt, einen passgenauen Rahmen finden. Angst und Gewalt sind jederzeit greifbar – so ungemütlich sah Köln selbst im „Tatort“ selten aus.