Essen. Darf man von der Rolle auf den Schauspieler schließen? Genau das tut jetzt eine Arte-Doku, die sich mit Hollywood-Außenseiter Mel Gibson befasst.

„Er ist mehr als ein Hollywood-Star – ein vielschichtiger, schwer zu ergründender Mensch“, heißt es in der Dokumentation „Mel Gibson: Vergöttert und verteufelt“ (Sonntag, 21.08. 22.15 Uhr auf Arte) Die Feststellung wäre ein passender Schlusssatz für diesen Text. Auch dem französischen Filmemacher Bruno Sevaistre gelingt es nicht, den komplexen Charakter Gibsons annähernd zu ergründen und die Erkenntnisse überzeugend darzulegen.

„Die Passion Christi“ brachte die Karriere von Mel Gibson ins Wanken

Das wäre wohl aber auch zu viel erwartet von einer Biografie, die – ohne Vor- und Abspann – in 50 Minuten ein Leben umfassend beleuchten will. Bei der Vielzahl der Aspekte, bei so viel eindrucksvollem altem Bild-, Film- und Interviewmaterial fallen fast zwangsläufig nur Streiflichter auf die Oberfläche. In den 80er- und 90er-Jahren war der in Australien aufgewachsene US-amerikanische Schauspieler mit „Mad Max“ und „Lethal Weapon“ zum weltweit vielleicht beliebtesten Filmstar aufgestiegen.

Für das vom ihm produzierte Historiendrama „Braveheart“ über den schottischen Freiheitskämpfer William Wallace erhielt er 1986 gleich fünf „Oscars“, u.a. für den besten Film und für die beste, für seine Regie. Mit der Bibelverfilmung „Die Passion Christi“ (2004), der von jüdischen Organisationen antisemitische Untertöne vorgeworfen wurden, geriet die Karriere ins Wanken.

Alkoholsucht, Scheidung, Vorwürfe häuslicher Gewalt

Und Gibson, der sich in der Film-Maschinerie Hollywoods nie wohl gefühlt und dem die Berühmtheit immer schon zu schaffen gemacht hatte, sorgte durch Alkoholsucht, Scheidung und Vorwürfe häuslicher Gewalt regelmäßig für neue Schlagzeilen, bis Hollywood sich schließlich von ihm abwandte.

Die Dokumentation versucht, einen Teil von Gibsons Persönlichkeit (vielleicht eine bipolare Störung) mit der familiären Prägung zu begründen. Vater Hutton, ein erzkatholischer und ultrakonservativer Mann, neigte zu Verschwörungstheorien und war fraglos Antisemit. Da musste der Sohn doch auch einer werden. Hutton war aber auch Antimilitarist, der wegen der drohenden Einberufung von Sohn Kevin zum Vietnam-Krieg mit der Familie nach Australien auswanderte. Derart vorgeprägt, hätte Mel alle Rollen, die mit Krieg, Waffen oder Gewalt zu tun haben (z.B. „Gallipoli“ von Peter Weir) doch eigentlich ablehnen müssen.

Eine problematische Jugend in Australien

In Australien hatte der Schüler Mel eine problematische Jugend. Deshalb seine Vorliebe für unangepasste Außenseiter und extreme Charaktere wie Max Rockatansky (Mad Max) oder Martin Riggs (Lethal Weapon)? Der Film liefert zu einfache Erklärungen. Auch, weil ständig (von Drehbuch und Regie vorgegebene) Rollen als Beleg für seelische Befindlichkeiten herangezogen werden. Dann wird aus dem ruhelosen, unter Kontrollverlust leidenden und suizidgefährdeten Alkoholiker Martin Riggs der Darsteller selbst.

Und wenn Gibson als William Wallace allein dem englischen Heer entgegentritt, dann wird das prompt in den einsamen Kampf des Schauspielers, Regisseurs und Produzenten gegen die Übermacht von Hollywoods Filmindustrie umgedeutet. Es stimmt: Mel Gibson ist wirklich schwer zu ergründen.

Bewertung: zwei von fünf Sternen