Essen. Die dreiteilige Doku-Reihe „Verschwörungswelten“ beim Sender ZDFinfo erklärt, wieso viele Menschen an bizarre Verschwörungsmythen glauben.
Es klingt wie Ironie des Schicksals, dass sich Amba während des Covid-Lockdowns ausgerechnet durch das Nähen von Masken „über Wasser halten“ konnte. Sonst hätte die Wiener Schmuckdesignerin, die hauptsächlich auf Märkten ihre Entwürfe verkauft, die Pandemie wirtschaftlich nicht überlebt, sagt sie vor laufender Kamera. Allerdings mag Amba selbst keine Masken tragen: Sie hält Corona für „Angstpropaganda“ und würde ihrer erwachsenen Tochter eher den Lebensunterhalt finanzieren, als deren Impfung zuzustimmen…
Amba ist eine klassische Querdenkerin, aber sie ist kein Monster. Sie ist sogar ziemlich sympathisch und offenbar auch ein „kritischer Geist“: „Warum will man uns täuschen“, fragt sie sich ernsthaft, nachdem sie im Internet einen Video-Clip „von den Leichenbergen aus Bergamo“ gesehen hatte, aus dem Zigaretten-Rauch aufstieg. Verschwörungsanhänger zu Wort kommen zu lassen, ohne sie als Idioten hinzustellen, ist daher vielleicht die größte Leistung der dreiteiligen Dokureihe, die ZDFinfo am Mittwoch, 3. August 2022, ab 20.15 Uhr zeigt.
Es geht um drei verschiedene „Verschwörungswelten“
Es geht um drei verschiedene „Verschwörungswelten“, die nach einem ähnlichen Schema funktionieren und immer eine versteckte Manipulationsabsicht unterstellen: Zunächst geht es um „Plandemie“ – wie „Coronoia“ ein kreativer Kunstbegriff der Impfgegner-Szene, der eine geplante Pandemie unterstellt. Anschließend um „Great Reset“, also Verschwörungsmythen, die den Klimawandel negieren und eine Ökodiktatur vermuten. Und später noch um „QAnon“, einen satanischen Unterwelt-Staat („Deep State“), dessen Elite Kinderblut trinkt und das Weltgeschehen aus dem Verborgenen lenkt.
Allesamt also schauerlich-bizarre Mythen, millionenfach über Social Media verbreitet, mit wachsender Anhängerzahl. Die Doku-Reihe kommt nicht umhin, bekannte Fake-Thesen zu wiederholen und somit weiterzuverbreiten. Aber sehr ruhig und unaufgeregt, und so sachlich, wie es gerade noch möglich ist, versuchen David Moya und Erika Otto, die kruden Thesen zu entzaubern. Für ihre ORF/ZDF-Produktion sprachen sie mit Psychologen, Wissenschaftsjournalisten und Faktencheckern der Rechercheplattform „Mimikama“, die unter anderem erklären, wie das „Bergamo“-Video überhaupt in Umlauf kam: Die Bilder sind inszeniert und stammen aus einer Musikvideo-Produktion. Auf TikTok verbreitet, wurden sie kopiert und im Nachhinein erst in einen Corona-Kontext gestellt.
Die Doku-Reihe liefert dazu ein paar, wenn auch leider nur sehr allgemeine Tipps, wie mit Verwandten und Bekannten umzugehen ist, die für wissenschaftliche Argumente verloren scheinen, weil sie Informationen der „Mainstream-Medien“ nur noch misstrauen: Menschen können schlecht mit Chaos und Krisen umgehen, erklärt die Psychotherapeutin Ulrike Schiesser, Sektenbeauftragte der Stadt Wien.
Für ihre diffusen Ängste lieferten Verschwörungstheorien da oft konkrete Erklärungen, auch wenn sie noch so absurd erschienen. „Halten Sie Kontakt“, rät sie deshalb. „Vielleicht sind Sie der letzte Mensch, der ihre dogmatische Meinung noch erschüttern kann“. Wenigstens ein wenig.
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