Essen. Im Mainzer ARD-Tatort: „In seinen Augen“ verrennt sich am Sonntagabend Kommissarin Ellen Berlinger (Heike Makatsch) folgenreich (26.6., 20.15 h).

Zum Schluss des Mainzer Tatorts „In seinen Augen“ (Sonntag, 26.6., 20.15 Uhr, ARD) beruhigt Kommissar Martin Rascher (Sebastian Blomberg) seine Kollegin Ellen Berlinger (Heike Makatsch): Sie habe nichts falsch gemacht. Diese Ansicht muss man nicht unbedingt teilen. Der Fall ist zwar gelöst worden. Aber zurückgeblieben ist ein einziger Scherbenhaufen aus tiefen Enttäuschungen, verloren gegangenem Vertrauen, zerbrochenen Beziehungen, seelischen und körperlichen Beschädigungen. Und verantwortlich für diesen tragischen Ausgang ist in erster Linie Ellen Berlinger, die ohne Rücksicht auf Verluste alles und jeden überrollt hat.

Tatort „In seinen Augen“: Zwei ungleiche Freundinnen

Zwei ungleiche Freundinnen im sogenannten besten Alter. Die eine, Bibiana Dubinski (Ulrike Krumbiegel), ist wohlhabend, souverän, genießt das Leben – und stirbt unversehens an einem Insulinschock. Die andere, Charlotte Mühlen (Michaela May), ist die unscheinbare graue Maus – und zu ihrer Überraschung plötzlich die Erbin. Bibiana hat ihr die Villa und ihr gesamtes Vermögen vermacht. Charlotte ist aber auch seit kurzem frisch verliebt und mit Hannes Petzold (Klaus Steinbacher) liiert, einem 30 Jahre jüngeren mittellosen Ex-Knacki. Als Ellen Berlinger diesem Hannes, Typ Gigolo, im Zuge der Routineermittlungen erstmals begegnet, durchfährt sie der Blitz vermeintlicher Erkenntnis. In seinen Augen will sie Gewaltbereitschaft, Angst, Panik vor Entlarvung gesehen haben, kurz: Petzold hat Bibiana ermordet. Das weiß sie einfach. Davon lässt sie sich nicht mehr abbringen, nicht von ihrem besonnenen Kollegen Rascher, nicht von Staatsanwältin Jasmin Winterstein (Abak Safaei-Rad).

Für den neuen, erschreckend spannungsarmen Einsatz der Mainzer Ermittler haben sich Drehbuchautor Thomas Kirchner und Regisseur Tim Trageser eine humoristische Note ausgedacht, die eher in Richtung Burleske oder ins Groteske tendiert und in der Anhäufung von Absurditäten nur mäßig lustig ist. In einer Ideen-Jonglage mit ständig wechselnden Zeit- und Ereignisebenen erweist sich dann zum Beispiel Bibiana Dubinski zu Lebzeiten als Hobby-Domina, die sich in ihrem Kellerverlies Hannes Petzold als Hündchen hält und dieses mit Hundekeksen in Form von Goldmünzen füttert.

Zeugen manipuliert

Zugegeben: Der Gigolo und das Biest spielen das wunderbar. Und bei einer eskalierenden Auseinandersetzung zwischen Berlinger und der Staatsanwältin über die Einstellung der Ermittlungen, bei der Makatsch und Safaei-Rad zu großer Form auflaufen, rechnet man sekündlich damit, dass nun auch die Fäuste und Fetzen fliegen. Aber was eigentlich ist komisch an einer immer psychotischer werdenden Kommissarin, die sich manisch über Dienstanweisungen und Gesetze hinwegsetzt, die übergriffig ist, die Zeugen manipuliert und unter Druck setzt, nur um Petzold zu überführen? Wie sehr und folgenreich sich die besessene Ermittlerin verrannt hat, zeigt sich erst kurz vor Schluss, wenn das Drehbuch so etwas wie das berühmte Kaninchen aus dem Hut zaubert und die Grundstimmung urplötzlich kippt. Der Rest ist Tragödie.

Bewertung: Drei von fünf Sternen