Essen. Auch der zweite neue Film aus der sehenswerten Reihe „Blind ermittelt“ ist ein origineller Krimi, der sich den Mythos der Kaiserin zunutze macht
Elisabeth von Österreich-Ungarn war so etwas wie der erste Medienstar. Trotz der Erfindung der Fotografie gibt es jedoch kaum Bilder aus Sisis zweiter Lebenshälfte: Sie wollte der Nachwelt als schöne junge Frau in Erinnerung bleiben. Gegen ihre letzte Aufnahme konnte sie sich nicht wehren: Sie zeigt den unbekleideten Leichnam der 1898 ermordeten Kaiserin auf einem Obduktionstisch, gut zu erkennen anhand einer kleinen Tätowierung auf ihrem Schulterblatt.
Der Wiener Hoffotograf hatte sich geweigert, das Foto zu machen, also hat sein Assistent auf den Auslöser gedrückt. Kurz drauf ist der Mann ums Leben gekommen. Seither liegt ein Fluch auf dem Bild: Jeder, der nur einen kurzen Blick darauf wirft, muss sterben. Die Aufnahme ist, sorgsam verpackt, innerhalb der Fotografenfamilie von Generation zu Generation weitergegeben worden, stets mit der Auflage, sie niemals der Öffentlichkeit zugänglich zu machen; aber weil Hab- und Neugier erfahrungsgemäß stärker sind als die Angst, fordert der Fluch der Kaiserin weitere Opfer.
Blind ermittelt: Die letzte Nachfahrin des Hoffotografen
Diese Rahmenhandlung ist so gut, dass die Umsetzung in jedem Fall einen fesselnden Film ergeben hätte, aber „Blind ermittelt: Die nackte Kaiserin“ (28. April, 20.15 Uhr, ARD) knüpft nahtlos an die Qualität der ebenfalls von Katharina Mückstein inszenierten letzten „Wien-Krimi“-Episode („Tod im Prater“) an. Das Drehbuch stammt von Nils Morten Osburg (Idee: Ralph Werner, Wolfgang Wysocki). Der blinde Sonderermittler Haller (Philipp Hochmair) und sein Freund Niko Falk (Andreas Guenther) kommen ins Spiel, als die letzte Nachfahrin (Julia Hartmann) des einstigen Hoffotografen das Bild erbt. Bei einem Überfall wird ihr Mann erstochen und das Foto (eine Erfindung der Autoren) geraubt.
Als Haller den Tathergang vor seinem geistigen Auge visualisiert, wird ihm schnell klar, wer den Raubmord begangen hat; auch das Corpus Delicti ist umgehend gefunden, es soll nun auf Nimmerwiedersehen im Nationalarchiv verschwinden. Der Film ist allerdings noch nicht mal halb vorbei; tatsächlich kommt es zu einem weiteren Todesfall. Erneut liegt ein besonderer Reiz der Geschichte in ihrer engen Verknüpfung mit dem Handlungsort; der Einfall, dem dank verschiedener Filme und Serien derzeit wieder hochaktuellen Sisi-Mythos eine ganz andere Seite abzugewinnen, ist ohnehin clever.
Amüsante Szenen
Hinzu kommt eine Freude am Detail, die auch schon „Tod im Prater“ auszeichnete. So ist beispielsweise ein Besuch der abergläubischen Haushälterin des verstorbenen Fotografen im Polizeirevier weit mehr als bloß ein Vorwand, um die skurrile Seite des Falls zu betonen; ähnlich wie der kleine Hund im letzten Film trägt die Frau schließlich indirekt entscheidend zur Lösung des Rätsels bei. Trotzdem spielt das Drehbuch natürlich auch mit der Frage, wie ernst der Fluch zu nehmen sei. Während Haller aus nahe liegenden Gründen dagegen gefeit ist, nimmt Falk die Sache sehr ernst, was zu einigen amüsanten Szenen führt.
Die Kombination aus Krimi und Komödie ist ohnehin wieder sehr gut gelungen. Darüber hinaus beeindruckt auch dieser Film durch seine Schauplätze, darunter das imposante Barock-Palais Kinsky sowie die nicht minder eindrucksvolle Nationalbibliothek.
Bewertung: Fünf von fünf Sternen