Rostock. Bukow alias Charly Hübner hat den Rostocker „Polizeiruf 110“ verlassen – jetzt taucht Bukows Halbschwester im neuen Fall auf: Lohnt sich’s?
Melly Böwe, die Neue beim Rostocker Polizeiruf, kann auf jeden Fall besser backen als ihre Kollegin. Ihre Muffins sind wie gemalt. Der Sauerteig, den Katrin König mit aller Verbissenheit knetet, sieht so traurig aus wie sie selbst – da kann man nur den Kopf in die Schüssel tauchen. Ja, es wird mal wieder ein Duo der Kontraste, das hier nun möglicherweise alle paar Monate sonntags um Viertel nach acht ermittelt, und die Küchenfertigkeiten geben schon den nötigen Aufschluss: König rüde und empathielos, Böwe einfühlsam und freundlich. „Seine Familie kann man sich nicht aussuchen“, (Sonntag, 20.15 Uhr) heißt ihr erster gemeinsamer Fall, und dessen Geschichte ist immerhin so finster, wie man das aus Rostock kennt.
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Charly Hübner ist ausgestiegen, und sein bäriger Bukow wird nicht nur von König (Anneke Kim Sarnau) schwer vermisst, sondern gewiss auch vom Publikum, aber es hilft ja nichts. Stattdessen taucht nun Bukows Halbschwester Melly (Lina Beckmann) auf, die sich gleich mal in Königs Ermittlungen mischt. Man muss Autor Florian Oeller und Regisseur Stefan Krohmer ja schon dankbar dafür sein, dass sie uns die nun zu befürchtenden Zickenkriegsklischees ersparen. Die beiden Frau beschnuppern einander eher vorsichtig.
Alleinerziehende Mutter und Sohn liegen tot im Haus
Lösen müssen sie ein finsteres Rätsel. Eine alleinerziehende Mutter und ihr vom Hals abwärts gelähmter Sohn liegen tot im Haus. Sie erstochen, der Junge starb tragischerweise an einem Schlaganfall, weil niemand mehr seine Infusion rechtzeitig wechseln konnte. Ein drogenabhängiger Pflegejunge (Alessandro Schuster) namens Max aus der Nachbarschaft steht unter Verdacht, zumindest mal ist er spurlos verschwunden. Kein Standard-Teenager, wie schon zu Beginn klar wird, wenn er einem Pädophilen, in dessen Auto er als Anhalter gestiegen ist, ein Messer in den Oberschenkel rammt.
Kronzeuge gegen osteuropäische Banden
Weil er als Kronzeuge gegen osteuropäische Banden in einem Zeugenschutzprogramm lebt, sucht ihn eben auch Polizistin Böwe, die ihn einst an die Pflegefamilie vermittelte, Nachbarn der Ermordeten. Und bei den Genths ist natürlich auch nichts wie es scheint, so auffällig wie das Paar (Susanne Bormann und Jörn Knebel) samt Pflegetochter Emma (Paraschiva Dragus) um den schönen Schein bemüht ist, benötigt man nicht mal den Spürsinn vieler Sonntagabendkrimis, um zu ahnen, dass da was faul ist. Wie viel Liebe gibt man seinen Pflegekindern, wenn man ein eigenes gerade erwartet – aus diesem Dilemma saugt die Geschichte viel psychologischen Honig.
Pflegekinder sind die Entdeckung des Films
Die Entdeckung des geradlinig erzählten Films, dem es ein wenig an Raffinesse mangelt, sind die beiden Pflegekinder, die den zarten Ermittlungsstreit des neuen Polizeiruf-Teams deutlich überstrahlen: Paraschiva Dragus wirkt in ihrer ausdruckslosen Fürsorge fast ein bisschen gespenstisch, Alessandro Schuster als verschlossener Außenseiter ist von spannender Unberechenbarkeit. Lina Beckmann dagegen wird nach ihrem etwas blassen Entrée einiges aufwenden müssen, um der wie immer fulminanten Anneke Kim Sarnau irgendwann einmal auf Augenhöhe zu begegnen.