Dortmund. Sie packt an: Rosa Herzog, die neue Kommissarin. Faber und Böhnisch sind im Tatort „Heile Welt“ mal wieder mit sich selbst beschäftigt.
Das ist typisch. „Die Welt brennt und Faber pennt“, wütet Kriminalhauptkommissarin Bönisch vor sich hin, während sie versucht, die an allen Ecken aufglimmenden Flammen auszutreten. Wieder einmal ist ihr Kollege nicht da, wenn er gebraucht wird.
Fairerweise muss man sagen: Im aktuellen 19. Fall kann Faber nichts dafür, dass er nicht erreichbar ist. Bewusstlos liegt er mitten im eskalierenden Demo-Getümmel auf dem Boden und hat Glück, dass er nach seinem K.O. nicht auch noch totgetrampelt wird.
Im Gerberzentrum in Dortmund-Scharnhorst – tatsächlich gedreht wurde in einem leerstehenden Einkaufszentrum in Leverkusen – ist gerade der Teufel los: Extreme Rechte und Linke gehen aufeinander los. Eine Polizei-Hundertschaft geht mit Schlagstöcken und Tränengas dazwischen. Steine fliegen, Fäuste auch. „Heile Welt“ geht anders.
„Heile Welt“: Mal wieder Fragwürdige Ermittlungsmethoden
Auch ohne die aktuelle Randale ist der Job der „Tatort“-Kommissare aus Dortmund hart. Seit Faber (Jörg Hartmann) und Bönisch (Anna Schudt) ihren Dienst 2012 angetreten haben, ermitteln sie in einem 4er-Team häufig in sozialen Brennpunkten, wo es zwischen unterschiedlichen Milieus ziemlich knallt.
Berüchtigt ist der WDR produzierte Tatort aber vor allem wegen der oft fragwürdigen Methoden seines unberechenbaren Chefermittlers Faber. Da fließt aus Wut oft unnötig Blut, und mehr als Verstand.
Deshalb haben in den letzten zwei Jahren auch schon zwei Jungkommissare ihren Hut genommen: 2018 wechselte Oberkommissar Daniel Kossik (Stefan Konarske) zum LKA Düsseldorf, nachdem er in „Sturm“ bei einem Schusswechsel lebensgefährlich verletzt worden war. Und jetzt erst, zu Neujahr 2020, quittiert auch Oberkommissarin Nora Dalay (Aylin Tezel) den Dienst, nachdem eine Zeugin im Jubiläums-Tatort „In der Familie“ ums Leben gekommen war. Eine fatale Fehlentscheidung zu viel, begründete sie ihren Ausstieg.
Tatort aus Dortmund: Ist Faber verliebt?
Tatsächlich ist Faber neben der Spur, seit seine Familie bei einem Autounfall umgekommen sind. Seither lebt er allein für seinen Job, immer am Limit, ständig im Chaos – und mit einer gefährlichen Neigung zu eigenmächtigen Kamikaze-Aktionen. Jeder trauert eben anders, und Jörg Hartmann legt seinen Ermittler – durchaus nachvollziehbar – als verzweifelten Rüpel an, der über seine seelischen Nöte nie und nimmer sprechen kann.
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Dafür setzt er neuerdings Zeichen: Faber hat sich ein neues Auto besorgt, das perfekt zu seinem Prolo-Image passt. Mit dem alten Manta GTI holt er dann – als freundliche Überraschung – vor Dienstbeginn seine Kollegin Bönisch ab. Während dann aus dem CD-Player der gutgelaunte Sunshine-Reggae von Laid Back trällert, schielt er vorsichtig zur Seite: „Gimme gimme, gimme just a little smile” …
Na, wird sie ihm nicht doch noch ein Lächeln schenken? Fast scheint es so, als hätte sich Faber verliebt in Kollegin Bönisch. Nur leider hat die gerade jemand anders im Kopf: Jonas Zander (Thomas Arnold) von der SpuSi. Der als sarkastisch bekannte Rechtsmediziner hat spätestens seit „Tollwut“ (2018) versucht, sie rumzukriegen.
Tatort: Bönisch kommt unter Druck
Nun, da Martina Bönisch ihren Mann und ihre Kinder offiziell verlassen hat, bekommt Jonas Zander eine Chance. Anna Schudt belässt ihre Figur im vagen Zweifel, ob das die richtige Wahl ist. Die neue Freiheit als Single behagt der Kommissarin jedenfalls nicht: Ständig gereizt und einsam, neigt auch sie zu Überreaktionen und gerät in dieser Folge durch einen Shitstorm als „Nazi über Nacht“ massiv unter Druck.
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Die Neue, die das Team ab sofort verstärkt, hat diese komplizierten Familienbande noch nicht durchschaut. Dafür ist Rosa Herzog zu patent und praktisch veranlagt: Stabil in Körperbau und Psyche, ist sie sowieso die einzige, die in dieser Folge richtig arbeitet. Und dafür sorgt, dass überhaupt irgendwie irgendwas ermittelt wird.
Die österreichische Theaterschauspielerin Stefanie Reinsperger, aktuell engagiert am Berliner Ensemble, spielt sie mit frischer Energie und eigenen subtilen Marotten: Wenn sie warten muss, also Zeit totschlagen, lässt sie ungeduldig ein Haargummi flutschen. Oder knackt mit den Fingern.
Pawlaks Frau ist plötzlich verschwunden
Auf jeden Fall muss sie in ihrer neuen Dienststelle zusehen, wie sie alleine klarkommt. Denn auch den eher blass wirkenden Kollege Jan Pawlak (Rick Okon), treiben vor allem private Sorgen um. Während ziemlich genau vor einem Jahr in „Monster“ seine kleine Tochter entführt (und wiedergefunden) wurde, ist nun seine Frau Ella verschwunden – ein Ex-Junkie.
Ob und wie seine Frau wiederauftaucht, klärt sich womöglich im nächsten Dortmunder Fall. Der WDR hält die privaten Verwicklungen seiner Tatort-Ermittler diskret, aber dann gerne über mehrere Folgen hinweg.
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