Köln-Ehrenfeld. Jan Böhmermann feiert 40. Geburtstag. Zum Anlass blicken wir auf seine Karriere zurück – aus der acht geniale Coups herausstechen.
- Jan Böhmermann wird am 23. Februar 40 Jahre alt
- In seiner Karriere gelangen dem Satiriker und Entertainer viele geniale Coups
- In acht Fällen sorgte der TV-Star für besonders viel Aufsehen
- Ob Musiker, Politiker oder Fernseh-Moderatoren: Keiner war vor Böhmermann und seinem Team des "Neo Magazin Royale" sicher
- Auch beim "ZDF Magazin Royale" wird es für die Mächtigen ungemütlich
Einer ist aus der deutschen TV-Landschaft auch 2021 nicht wegzudenken: Jan Böhmermann. Der Satiriker hält den Mächtigen aus Politik, Medien und Gesellschaft seit vielen Jahren einen unbequemen Spiegel vor. Nun wird Böhmermann 40 Jahre alt. Zeit, seine genialsten Coups einmal Revue passieren zu lassen.
2015: #Varoufake
Böhmermanns erster großer Aufschlag gelang im März 2015. Günther Jauch hatte den damaligen griechischen Finanzminister Yanis Varoufakis in seiner ARD-Talksendung mit einem Video konfrontiert, in dem der Politiker Deutschland den Stinkefinger gezeigt hatte.
Eine aufgeregte Debatte über die angebliche Unverschämtheit war die Folge. Der Clip war auf einem Festival zwei Jahre zuvor entstanden und echt – allerdings aus dem Zusammenhang gerissen und so als rüde Absage an eine Rückzahlung griechischer Schulden an Deutschland interpretiert worden.
Böhmermann und seine „Neo Magazin Royale“-Redaktion kannten den Clip schon und witterten ihre Chance. In einem aufwändig produzierten Video taten sie so, als wären sie es gewesen, die den Stinkefinger in das Video eingefügt hätten. Die ARD und Jauch waren damit in Bedrängnis. War ein journalistisch peinlicher Fehler unterlaufen, weil man einem Fake aufgesessen war?
Am Ende löste Böhmermann den Fake des Fakes auf und hatte nicht nur die ARD und Teile der deutschen Medienlandschaft vorgeführt, sondern ein Jahr später auch einen Grimmepreis in der Tasche.
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2015: „Ich hab Polizei“
Im selben Jahr nahm Jan Böhmermann als fiktiver Rapper POL1Z1STENS0HN den deutschsprachigen Gangstarap und dessen Protagonisten aufs Korn. Gekonnt parodierte Böhmermann mit „Ich hab Polizei“ Sprache und Stil von Genregrößen wie Fler, Haftbefehl.
Die stritten sich nach dem Erfolg des Songs darum, wer von ihnen den nun eher gemeint war. Böhmermann landete mit der Nummer auf Platz 10 der deutschen Singlecharts. Bis heute hat „Ich hab Polizei“ über 36 Millionen Aufrufe bei YouTube.
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2016: „Schmähkritik“
Mehr noch als mit dem #Varoufake-Video sorgte Böhmermann mit seiner „Schmähkritik“ über den türkischen Staatschef Recep Tayyip Erdoğan für Aufsehen. Das Gedicht war bewusst so formuliert, dass es den Politiker im strafrechtlichen Sinn beleidigen würde – allerdings im Rahmen einer satirischen Aufklärung.
Denn Erdoğan hatte sich zuvor über ein vergleichsweise harmloses Satirevideo der ARD-Sendung „Extra 3“ beschwert. Böhmermann wollte dem Politiker mit seinem Gedicht demonstrieren, was wirklich in den Bereich des Strafbaren fallen würde und hatte dies im Beitrag ausdrücklich so angekündigt. Geholfen hat es nichts – das ZDF entfernte den Beitrag aus seiner Mediathek.
Das Gedicht löste einen handfesten Skandal aus, Bundeskanzlerin Angela Merkel nannte den Inhalt „bewusst verletzend“. Die Türkei verklagte Böhmermann in Deutschland wegen Majestätsbeleidigung. Der Satiriker stand für einige Zeit unter Personenschutz.
Selbst zog Böhmermann gegen die Kanzlerin vor Gericht, seine Klage wurde aber abgewiesen. Der Satiriker ging vors Bundesverfassungsgericht. Immerhin: Den Straftatbestand der Majestätsbeleidigung kennt das deutsche Strafrecht seit der „Schmähkritik“ nicht mehr. Der Paragraf wurde 2017 abgeschafft.
2016: #Verafake
Ob RTL und Böhmermann nach #Verafake nochmal Freunde werden, darf bezweifelt werden. 2016 gelang es Böhmermann und dem „Neo Magazin Royale“, zwei Schauspieler in die Kuppelshow „Schwiegertochter gesucht“ einzuschleusen. So konnte er beweisen, dass es in der von Vera Int-Veen moderierten Show weniger darum geht, Menschen zusammenzubringen, sondern vor allem die Teilnehmenden vorzuführen.
Die Rollen der beiden Schauspieler waren bewusst als „feuchter Traum eines jeden RTL-Redakteurs“ angelegt und die Redaktion habe sie in der Sendung „noch dümmer gemacht, als wir sie uns ausgedacht haben“, warf Böhmermann dem Sender vor. Der Beitrag hatte Konsequenzen – personelle bei RTL und preisträchtige für Böhmermann. Seit #Verafake steht ein weiterer Grimmepreis im Trophäenschrank des „Neo Magazin Royale“.
2018: Menschen Leben Tanzen Welt
2018 folgte die nächste Abrechnung: Diesmal mit der Plattenindustrie. Im Zentrum von Böhmermanns Kritik standen aus seiner Sicht austauschbare „unpolitische und abwaschbare“ Kunstschaffende aus der Singer-Songwriter-Szene, die Profit über Inhalt stellten.
Um deren Beliebigkeit aufzuzeigen, ließen Böhmermann und sein Team, so Böhmermann, Schimpansen aus dem Zoo Gelsenkirchen Kalendersprüche, Werbeslogans und Versatzstücke aus deutschen Popsongs aneinanderreihen. Das so entstandene Lied „Menschen Leben Tanzen Welt“ vom fiktiven Interpreten Jim Pandzko landete auf Platz 10 der Singlecharts.
2019: Die Ibiza-Affäre
Auch 2019 machte Böhmermann von sich reden, wenn auch in einem Fall eher unfreiwillig: Im Zuge der Ibiza-Affäre, in der der österreichische Vizekanzler Heinz-Christian Strache seinen Posten verlor und die Regierungskoalition zerbrach, fiel auch Böhmermanns Name.
Spekuliert wurde, ob das Video, in dem Strache sich von einer falschen Oligarchen-Nichte zu kompromittierenden Äußerungen hatte verleiten lassen, wie einst #Varoufake vielleicht auch aus dem Hause Böhmermann komme.
Das ZDF dementierte, Böhmermann erklärte aber, er habe das Video gekannt, bevor es an die Öffentlichkeit kam. Im Januar 2021 sagte Privatdetektiv Julian H., der das Video laut eigener Aussage erstellt hat, dass er es Böhmermann zugetragen habe lassen.
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2020: Praktikum für Fiete Korn
Vielleicht kein Coup aber sicher ein denkwürdiger Moment in Böhmermanns Karriere ist die Geschichte von Fiete Korn. Der Abiturient von der Halbinsel Fischland-Darß-Zingst hatte auf seinem Abschlussball im August 2020 eine kritisch-satirische Rede über die Schulleitung gehalten – was der Direktor des Gymnasiums mit einer Anzeige quittierte. Böhmermann bot dem 18-Jährigen daraufhin ein Redaktionspraktikum an. Das Verfahren wurde eingestellt.
2021: Die Frontex-Files
Ende 2020 zogen Böhmermann und seine Sendung in das Hauptprogramm des ZDF um. Dort wurde seine Sendung journalistischer, was sich jüngst an den Frontex-Files zeigte. Anfang Februar erhob Böhmermann im „ZDF Magazin Royale“ Vorwürfe gegen die europäische Grenzschutzagentur Frontex.
Demnach sollen sich Frontex-Angehörende unangemeldet mit Vertretern der Rüstungsindustrie getroffen haben. Dabei soll es um Waffen, Munition und Überwachungstechnik gegangen sein.
Das Brisante daran: Frontex hatte 2018 die Frage eines EU-Abgeordneten verneint, 2017 an Treffen mit Lobbyisten teilgenommen zu haben. Lediglich Interessenvertreterinnen aus dem EU-Tranparenzregister würde Frontex treffen. Die Frontex-Files zeigen etwas anderes – für das Jahr 2017, 2018 und 2019. (pcl)