Berlin. Bei „Hart aber fair“ diskutierten sehr junge Talkgäste, was sie in der Pandemie besonders umtreibt. Um Partys ging es dabei selten.
Am Ende dieser „Hart aber fair“-Sendung wollten alle mit Olaf Scholz tauschen, zumindest für diese Woche. Da wird im Bundestag der Haushalt beraten. Und natürlich wusste jeder und jede in der Diskussionsrunde, wie die Steuermilliarden verteilt werden sollten: Für mehr BAföG an Studierende und Auszubildende. Für mehr Geld an Kurzarbeiter, damit sie nicht in Armut rutschten. Und für eine „steuerfreie Stundenzulage für alle Pflegefachpersonen, die aktuell aus dem Beruf ausgeschieden sind, damit sie zurückkommen“.
Nur von extra Geld für Partys war keine Rede. Dabei war die Talk-Runde mit einem Altersdurchschnitt von 24 Jahren – den Bundesfinanzminister (62) nicht mitgerechnet – so jugendlich wie noch nie in einer Polit-Talkshow der ARD. „Gut, dass wir hier sitzen“, bestätigte Philipp Isterewicz (28), und meinte wohl: So konnten endlich alle hören, wie junge Leute wirklich ticken.
„Nur einmal jung und dann im Lockdown – was macht Corona mit der Jugend?“, fragte Frank Plasberg an Montagabend. Bewusst hatte er Vertreter der „Problemgruppe Party“ ins Studio geladen, die im Lockdown angeblich bloß über Luxus-Probleme jammerten.
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„Hart aber fair“: Frank Plasberg diskutiert mit „Problemgruppe Party“
„Jung sein heißt nicht dumm sein“, tönte da der DJ weiter, der jeden Freitag die Party-Sendung auf 1LIVE moderiert: „Die Leute wissen schon, dass jeder, der heimlich feiert, die Pandemie treibt“. Einige aber lebten irgendwie in einem Paralleluniversum: „Wenn man selbst nicht in der Situation steckt, fällte es schwer, sie nachzuvollziehen“. Deshalb fand er es „super“, dass Kanzlerin Angela Merkel bei ihrer Lockdown-Rede extra an die Jungen appellierte, ihre Kontakte zu beschränken.
„Das ist doch keine Frage von Party oder Sterben“, entgegnete Sarah-Lee Heinrich. Dabei hatte der Corona-Lockdown die 19-jährige Studentin, gerade nach Köln umgezogen, selber hart erwischt: „Ein 21 Quadratmeter großes Apartment ist nicht gerade ein Rückzugsort“, meinte sie mit einem Anflug von Ironie über ihr beengtes Zuhause.
Trotzdem sah sie keinen Generationskonflikt, eher einen Sozialkonflikt. Denn die Corona-Krise betreffe alle Altersgruppen: „Die 40- bis 60-Jährigen haben existenzielle Sorgen, genauso wie die Studierenden, die kein BAföG bekommen: Die dürfen nicht mehr jobben, weil die Gastronomie zu ist“, begründete sie. „Viele Armen verarmen noch mehr.“
Frank Plasberg drohte das Thema abhanden zu kommen
Spätestens an diesem Punkt drohte Frank Plasberg das zugespitzte Thema abhanden zu kommen. Oder war es bloß „sozial erwünscht“, dass die jungen Talk-Gäste – paritätisch besetzt mit zwei jungen Männern und zwei jungen Frauen – so besonnene Ansichten vertraten?
Wahr war jedenfalls, so ergab auch der kurze Faktencheck von „Hart aber fair“, dass die Gruppe der 20- bis 34-Jährigen bei den Inzidenzen momentan noch die oberen Plätze belegte. Fakt sei aber auch, dass genau diese Gruppe im Lockdown die Infektionszahlen stabilisiert habe.
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Wie sich Schüler um ihre Noten im Distanzunterricht sorgen
So jung und schon so vernünftig und zukunftsorientiert erschienen auch die beiden Gäste, die Frank Plasberg jeweils im Einzelgespräch befragte, was sie in der Pandemie persönlich am meisten umtreibe.
„Schaffe ich das Abitur mit der Leistung, die ich mir vorgenommen habe“, sorgte sich Franziska Schürken (17). Die Schülerin aus Oberhausen wollte nach dem Abi Medizin studieren und brauchte unbedingt einen Einser-Schnitt.
Nach Wochen ohne reguläre Schulstunden und Distanz-Unterricht aus der Quarantäne soll sie im Frühjahr ein Zentralabitur ablegen, das keine Rücksicht darauf nimmt, wie viel Stoff in der jeweiligen Schule tatsächlich durchgenommen worden ist. „Das ist für mich nicht berechenbar“. Vielleicht musste sie – bloß wegen Corona – ihren Traum vom Medizinstudium aufgeben und stattdessen Geisteswissenschaften studieren?
Bildungschancen hängen auch in der Pandemie vom Internet-Anschluss ab
Auch Marcel Seidenzahl (21), frischgeprüfter Veranstaltungskaufmann, sorgte sich um seinen „Plan fürs Leben“: Wegen des Lockdowns wurde ein unterschriftsreifer Arbeitsvertrag in der Hotellerie kurzfristig gecancelt. Nun war der Berliner arbeitslos, wohnte wieder bei den Eltern und sah keine Perspektive, wie es für ihn weitergehen sollte. „Was wird mit meiner Rente?“, fragte er, „werden wegen Corona wenigsten Ausfallzeiten anerkannt?“
Nach Luxusproblemen klang das nicht. Auch Ria Schröder (28), bis zum Sommer noch Vorsitzende der Jungen Liberalen und nun Beisitzerin im FDP-Bundesvorstand, wusste, wie schwer die Pandemie gerade die Jungen treffe: „Ohne Job, ohne Arbeitsplatz-Perspektive, können viele ihre Miete nicht zahlen.“ Krass fand sie auch, dass Bildungschancen von Kindern davon abhingen, ob Zuhause ein Internetanschluss vorhanden war – oder wegen einer schlechten Schufa eben nicht.
Alexander Jorde (24), der als Krankenpfleger auf einer Intensivstation täglich erlebte, wie ernst die Corona-Lage war, fand es an dieser Stelle „schon bemerkenswert“, dass sich ausgerechnet eine FDP-Frau für „konkrete Studi-Hilfen, nicht nur Darlehen“ einsetzte. Schließlich habe er bisher von dieser Partei immer nur die Forderung nach Steuersenkungen gehört.
„Corona hat auch gezeigt, dass die öffentliche Daseinsvorsorge extrem unterfinanziert ist“, erläuterte er und wünschte sich, dass man daraus lernte, wo das Geld fehlte: „Viele haben jetzt viel weniger. Und es gibt ganz wenige, die jetzt deutlich mehr haben: Zum Beispiel die Quandts, die Klattens“, zählte er auf.
Dann widerlegte er das FDP-Argument, dass das millionenschwere Vermögen dieser Industriellenfamilien weitgehend aus Betriebsvermögen bestehe: „Wer sich eine Privatdividende in einem dreistelligen Millionenbereich auszahlen lässt, und seine Arbeiter gleichzeitig in Kurzarbeit schickt, sitzt ja wohl auf einem Riesenhaufen Geld.“
Olaf Scholz hörte zu. Und konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen, wie vehement die jungen Talker plötzlich über die Vermögenssteuer stritten.
„Ich weiß, dass das nicht reicht“, gab er dann zu, als er darauf angesprochen wurde, wie wenig Corona-Hilfen die Bundesregierung gerade jungen Menschen anbiete, „und kann nur drei Mal unterstreichen, das ist verdammt eng“. Dann versprach er, sich dafür einzusetzen, dass in Zukunft wenigstens mehr junge Menschen Anspruch auf BAföG bekämen als bisher.
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