Essen. In „Gerhard Schröder – Schlage die Trommel“ kommen Altkanzler und alte Weggefährten zu Wort. Viel Neues erfahren Zuschauer aber nicht.
Gerhard Schröder war der letzte Kanzler der SPD. Seit seinem Rücktritt vom Parteivorsitz und der folgenden Niederlage gegen Angela Merkel bei der Bundestagswahl 2005 ging es mit der Partei bergab. Nur noch bergab. Aktuell liegt die SPD in Umfragen bei 15 Prozent. Da fällt es schwer, noch von einer „Volkspartei“ zu sprechen. Woran liegt das, dass die SPD so wenig Zuspruch erhält – obwohl sie sich seit Jahren innerhalb der Großen Koalition ernsthaft und offensiv um mehr soziale Gerechtigkeit müht?
Liegt es daran, dass der ehemals so populäre „Basta-Kanzler“ nicht mehr mitspielt? Oder daran, dass er überhaupt jemals mitspielen durfte?
Schön wär’s, wenn der Film „Gerhard Schröder – Schlage die Trommel“ von Torsten Körner, den Arte am Dienstagabend als Erstausstrahlung zeigt (14. Juli, 21.45 Uhr) irgendeine klärende Haltung zu seinem Sujet gefunden hätte.
Reporter geben Gerhard Schröder Forum für Selbstdarstellung
Die eingangs gestellten Fragen waren ja nicht gänzlich falsch. Und Gerhard Schröder schon immer der Frontmann, an dem sich die Geister schieden: Für die einen ist er bis heute ein „Ego-Spieler“, „Genosse der Bosse“ und „Verräter an seiner Herkunft“. Für die anderen weiterhin ein begnadeter Wahlkämpfer und Modernisierer, der mit der umstrittenen Agenda 2010 gewillt war, zum Wohle des großen Ganzen „heilige Kühe zu schlachten“. Lesen Sie auch: Gerhard Schröder lobt in neuem Podcast Angela Merkel
Auch hatte Torsten Körner Gelegenheit, den Ex-Kanzler aktuell zu befragen. Die beiden Exklusiv-Interviews fanden im letzten Jahr im Museum Hamburger Bahnhof in Berlin statt, vor großformatigen monochromen Bildern: Dort sitzt der alte SPD-Mann nun also, in einem ästhetisch sehr ansprechenden Ambiente, und wirkt so fit und alterslos, als wäre es 2009 und nicht 2019. Auch was er sagt, unterscheidet sich nicht von früheren Ausführungen.
Schröder trommelt kraftvoll nur für sich selbst „und fürchtet sich nicht“: kein Wort zur Lage der SPD heute. Und schon gar nicht zu seinem neuen Rollenverständnis als bester Kumpan von Wladimir Putin und Aufsichtsratschef des russischen Energieriesen Rosneft. Ob er sich bei dieser Karriere überhaupt noch als SPD-Mitglied verstehen kann oder will? Er wird nicht gefragt, also muss er darauf auch nicht antworten.
• In der Bildergalerie sehen Sie Fotos der wichtigsten Karriere-Stationen von Gerhard Schröder:
Ehemalige Wegbegleiter äußern sich zu Gerhard Schröder
Aber auch jenseits dieses unergiebigen Selbstdarsteller-Interviews bleibt die neue MDR-Dokumentation ein Ärgernis. So liefert sie viele Statements ehemaliger Wegbegleiter, ergänzt durch Archiv-Bilder und anekdotische Erinnerungen aus der guten, alten, großen Zeit der rot-grünen Koalition – aber sonst nichts, absolut nichts Neues. Auch interessant: Gerhard Schröder wettet: Dieser CDU-Politiker wird Merkel-Nachfolger
Immerhin zeigt der Film indirekt die immer noch wirkenden emotionalen Verstrickungen der alten SPD-Familie mit dem Mann, der sie 1998 für sieben Jahre so machtvoll an die Macht gebracht hatte. Diesen Erfolg, mit welchen fragwürdigen Mitteln auch immer erreicht, werden sie ihm niemals vergessen. Allerdings wurden mit Renate Schmidt, Gesine Schwan, Sigmar Gabriel und Martin Schulz auch nur solche Sozialdemokraten befragt, die selbst nicht mehr für die aktuelle SPD-Politik stehen.
Allein die alte Riege der Grünen – Joschka Fischer, Jürgen Trittin und Renate Künast – ist in der Lage, den „wandelnden Widerspruch“ heute kritisch zu sehen – mit einem „Störgefühl“, wie weit sich Gerhard Schröder inzwischen von einstigen Zielen und Werten abgekoppelt hat.
• Dienstag, 14. Juli, 21.45 Uhr, Arte: „Gerhard Schröder - Schlage die Trommel“