Berlin. Die siebte Staffel von „Sing meinen Song – das Tauschkonzert“ hat begonnen. Trotz weniger bekannter Künstler bleibt es emotional.
Mit Michael Patrick Kelly hat Vox echt Glück gehabt. Begonnen hatte der Quotenhit „Sing meinen Song – Das Tauschkonzert“ einst mit Xavier Naidoo als Moderator, bevor er zunächst an The Bosshoss, dann an Mark Forster weitergereicht worden war. Man mag sich gar nicht vorstellen, was es für den Sender bedeutet hätte, wenn Naidoo die Sendung heute noch moderieren würde.
Zumindest läge das Hauptaugenmerk wohl nicht auf der Musik und den porträtierten Künstlern. Vielmehr auf kruden Verschwörungstheorien und deren Verbreitung. Mit Michael Patrick Kelly hat Vox einen soliden Künstler, der genug Empathie, aber auch Souveränität mitbringt, um durch den Abend zu führen. Auch, wenn es manchmal fast zu sicher wirkt.
Den Auftakt der siebten Staffel macht Max Giesinger. Der 31-Jährige feierte 2016 seinen Durchbruch mit dem Hit „80 Millionen“. „Ich bin so aufgeregt, wie seit 15 Jahren nicht mehr“, sagt der Wahl-Hamburger gleich zu Beginn des Abends. Das letzte Mal sei er so nervös vor seiner Fahrprüfung gewesen. An diesem Dienstagabend singen die anderen Teilnehmer seine Songs.
„Sing meinen Song“: MoTrip rappt in „80 Millionen“ über seine Flucht
In schwarz-roter Lederjacke mit der Aufschrift „HEAVEN“ betritt Nico Santos die Bühne, um den Abend musikalisch mit „Auf das, was da noch kommt“ zu eröffnen – einer Hymne ans Weitermachen. „Mit der Band haben wir immer schlecht abgeschnitten in Contesten, bei der Pop-Akademie in Mannheim wurde ich zwei Mal abgelehnt“, erklärt Giesinger die Entstehungsgeschichte des Songs.
Als Kind habe er jeden Abend das Vaterunser mit den Worten: „Lass mich ein erfolgreicher Musiker werden, ein guter Gitarrist sein und eine Freundin haben“ abgeschlossen. So ehrlich, wie der Abend beginnt, nimmt er auch seinen weiteren Verlauf.
Santos macht aus der Folk-Pop- eine Michael-Jackson-Version. Inklusive diverser Tanzmoves. „Das hatte Eier“, kommentiert Rapper MoTrip den Auftritt, der mit reichlich „Michael-Uhs“ gespickt ist. Den Song des Abends – wie ihn Giesinger zum Abschluss kürt – stellt MoTrip vor: „80 Millionen“. Einen Song, den man so oft gehört hat, dass man ihn eigentlich satt hat. Doch MoTrip macht aus der überspielten Fußball-EM-Hymne eine persönliche Erzählung über seine Flucht aus der libanesischen Hauptstadt Beirut.
„In unserem Land herrschte Krieg und deswegen hat Papa dem Tod in die Augen geblickt und uns somit ermöglicht in Frieden zu leben“ ersetzen Zeilen wie „Die Chance dass wir beide uns treffen ging gegen Null und doch stehen wir jetzt hier“. Schon in der ersten Sendung beeindruckt MoTrip nicht nur mit Rap, sondern auch mit Gesang und vor allen Dingen mit seinen Zeilen. So sehr, dass es Giesinger die Tränen in die Augen treibt. „Ich hab‘ bei der Nummer noch nie geheult“; gesteht er.
Selig-Sänger Jan Plewka: „Liebeskummer ist in dem Alter etwas sehr Pathetisches“
Michael Patrick Kelly macht aus „Wenn sie tanzt“ die englische Version „When she dances“, eine Version, die neben der Country-Nummer „Für dich“ von der niederländischen Sängerin Ilse Delange fast schon der Erholung dient. Denn es bleibt emotional.
Als vorletzten Song des Abends hat Jan Plewka, Sänger der Band Selig, „Leerer Raum“ gewählt. Eine Fortsetzung von „80 Millionen“. Während es darin noch um den Beginn der Beziehung geht, beschreibt Giesinger mit „Leerer Raum“ das Ende. Wie nichts mehr übrig bleibt, als die Wohnung leergeräumt ist. Nichts mehr an die beiden erinnert.
„Liebeskummer ist in dem Alter etwas sehr Pathetisches“, sagt Plewka kurz vor seinem Auftritt. Er wolle dem Song etwas Hoffnung verleihen – aus Sicht eines 50-Jährigen mit ein paar mehr Jahren Lebenserfahrung. Und das schafft er.
Die Stars von „Sing meinen Song“ 2020
Seine Blicke sind so intensiv, dass man sich selbst als Fernsehzuschauer von ihm angeschaut, fast schon fixiert fühlt. Die veränderte Rhythmik der gefälligen Gitarren bauen so eine Spannung mit dem melancholischen Text auf, dass man es fast nicht glauben kann. Santos ist völlig begeistert, Giesinger findet, „er hat was Divaesques“ und Kelly hält Plewka für einen „weisen Poeten“.
Als hätte sie ihn selbst geschrieben: Lea singt „Für immer“
Mit den Zeilen „Dass wir dir Lichter sehen, bis die Musik ausgeht“ schließt die Sängerin Lea, bürgerlich Lea-Marie Becker, den Abend. „Seit sieben Jahren beenden wir jedes Konzert mit „Für immer“‘, erzählt Giesinger. Ein Song, den er gemeinsam mit seinem besten Freund Steffen Graef, der ebenso Bandmitglied ist, geschrieben hat.
Für Giesinger ging es um das Ende einer Beziehung, Graef nimmt darin Abschied von seinem immer kränker werdenden Vater. „Die Familie hat sich gewünscht, dass ich diesen Song auf seiner Beerdigung spiele“, sagt Giesinger. Worte, die die eh schon nervöse Lea berühren. So dramatisch sie mit ihrer Aufregung auch vorher umgeht, so schön ist doch ihre Klavierversion, die wirkt, als habe sie diesen Song selbst geschrieben.
„Lea hat etwas feenartiges“, stellt Giesinger fest. Der Auftakt der Staffel ist gelungen. Die sieben Musiker harmonieren gut miteinander. Wenn schon am ersten Abend Tränen fließen, kann man wohl mit einigen weiteren emotionalen Abenden ausgehen – so wie man es eben von „Sing meinen Song“ gewöhnt ist.