Berlin. Am Sonntag geht die Ära „Lindenstraße“ zu Ende. Das sagt Mutter Beimer alias Marie-Luise Marjan zur letzten Folge der ARD-Kultserie.
Eigentlich wollten sie sich alle noch einmal treffen zum Ende der „Lindenstraße“, wollten zusammen feiern am kommenden Wochenende. Schauspieler, Kameramänner, fast das ganze Team. „Aber das fällt jetzt natürlich alles flach“, sagt Mutter Beimer alias Marie-Luise Marjan. Den Grund kennen wir alle.
Würde es sie noch geben, die sonntägliche „Lindenstraße“, die aktuelle Lage in Deutschland und der Welt wäre bestimmt ein großes Thema“, gibt sich Marjan überzeugt. „Wir waren ja immer sehr aktuell.“ Nun ist die Serie allerdings Geschichte – nach fast 35 Jahren endet sie am kommenden Sonntag mit Folge 1758, die den trügerischen Titel „Auf Wiedersehen“ trägt. Denn ein Wiedersehen wird es nicht geben.
Ende Dezember schon war der letzte Drehtag für Marjan. „Sehr rührend“ sei dieser Tag gewesen, sagt die 79-Jährige. Als die letzte Klappe gefallen sei, habe sie mit Irene Fischer, die die Anna Ziegler spielt, das Set verlassen. „Das ganze Studio war voller Menschen, alle haben applaudiert. Da haben Irene und ich uns an die Hand gefasst und die Tränen flossen in Strömen.“
„Lindenstraße“: Die Kritiker waren gnadenlos, die Zuschauer begeistert
Über den Inhalt des Finales darf Marjan ansonsten nichts sagen. Keiner darf das, sonst droht eine hohe Geldstrafe. Aber über die Anfänge der Serie darf sie natürlich reden. Wie die Kritik sie verrissen hat in den ersten Monaten, die Menschen vor dem Fernseher aber schnell begeistert waren. Wie einige im Sender anfangs glaubten, sie sei zur alt für die Rolle, Hans W. Geißendörfer sie aber unbedingt haben wollte.
Obwohl sie sich weigerte Mutter Beimer mit bayrischem Dialekt zu spielen, weil sie – Marjan – ja ein Kind des Ruhrgebietes sei. „Machen Sie, was Sie wollen mit der Rolle“, sagt der Produzent, „aber spielen Sie sie.“
Marjan spielt. Und Helga Beimer wird zur Rolle ihres Lebens, drängt die vielen erfolgreichen Jahre an der Freien Volksbühne Berlin, am Thalia Theater Hamburg und natürlich am Schauspielhaus in Bochum, unter Hans Schalla und Peter Zadek, ein wenig in den Hintergrund. Aber so ist das eben, wenn man eine Rolle nicht nur spielt, wenn man für das Publikum mit ihr verschmilzt.
Marjan sagt, es habe sie nie gestört, dass Menschen sie mit Frau Beimer ansprechen. „Ich habe dieses Branding sofort akzeptiert. Wenn man sich mit so viel Leidenschaft auf eine Rolle einlässt, muss man mit solchen Dingen leben.“
„Lindenstraße“: Marjan und Beimer sind immer mehr zu einer Person geworden
Im Laufe der Zeit, hat sie längst festgestellt, sind Marie-Luise Marjan und Helga Beimer für viele Zuschauer immer mehr zu einer Person geworden. Und wenn sich die Fans aufgeregt haben über Szenen aus der Serie, dann war es meistens sie, die angesprochen wurde und Stellung beziehen musste.
Ob ein nacktes Kind in der Badewanne oder Jugendliche, die Autos zerkratzten, „die Leute haben mir Briefe geschrieben“. Und die hat sie beantwortet. „Ich war so etwas, wie der Außenminister der Lindenstraße.“ Verständlich, dass Marjan nicht begeistert war, als die ARD die Einstellung der Serie beschloss.
Aber darüber will sie mittlerweile gar nicht mehr reden, erinnert nur an die „vielen Fans, die sehr traurig darüber sind“. Zum Glück ist es aber nicht so, als sei das Ende der Serie auch das Ende von Marjans Karriere. „Es gibt mehrere Anfragen“, sagt die gebürtige Essenerin, ohne Einzelheiten zu nennen. „Ich muss die erst einmal sichten.“
Aber dafür braucht sie Zeit, die sie bisher nicht hatte. Fast täglich musste sie Interviews geben – zum Abschluss der Lindenstraße und für den Kinofilm „Die Heinzels – Die Rückkehr der Heinzelmännchen“, in dem sie synchronisiert. „Der Kalender ist voll bis Ende März. Mal sehen, ob es anschließend ruhiger wird.“
Marjan: Corona-Krise „wird unsere Gesellschaft verändern“
„Erschreckend“ findet Marjan die Entwicklung der vergangenen Tage und Wochen. „Diese Unsicherheit macht die Menschen total verrückt.“ Sie selbst, sagt sie, könne bisher gut damit umgehen, dass sich die Dinge jeden Tag ändern. „Als Schauspielerin ist man gewohnt, flexibel zu reagieren.“ Aber auch für Marjan hat sich einiges geändert.
Pendeln zwischen ihren Wohnsitzen in Köln und Hamburg, Besuche von Freundinnen im Ruhrgebiet, da wo sie groß geworden ist, sind derzeit schwierig bis unmöglich. „Diese Geschichte wird unsere Gesellschaft verändern“, gibt sie sich überzeugt. Aber irgendwann wird die Krankheit wohl besiegt, zumindest eingedämmt sein.
Deshalb hat Marjan natürlich auch Pläne für ihre berufliche Zukunft. Rollen in Rosamunde Pilcher-Verfilmungen kann sie sich vorstellen. Oder Miss Marple zu spielen. „Etwas mysteriös und mit viel Humor. Nur nichts Blutiges.“
Eilt aber alles nicht. Denn da ist auch noch die ehrenamtliche Tätigkeit. Seit fast 30 Jahren setzt sie sich für die Kinderhilfswerke Unicef und Plan International ein, hat sogar eine eigene Stiftung gegründet. Ruhe für Helga Beimer also, aber viel zu tun für Marie-Luise Marjan. „Ich habe“, sagt sie dann auch, „keine Langeweile.“
Nach 34 Jahren und vier Monaten ist am Sonntag also endgültig Schluss mit der „Lindenstraße“. Hier sind fünf Gründe, warum wir die Kult-Serie vermissen werden. Das angekündigte Aus der „Lindenstraße“ hatte im November für großes Aufsehen gesorgt. Fans der Serie demonstrierten gegen das Ende.
fünf gründe, warum wir die „lindenstraße“ vermissen werden