Berlin. Spontan in eine Szene reinspringen – damit hat Bjarne Mädel kein Problem mehr. Auch nicht im neuen TV-Drama „Tage des letzten Schnees“?
Bekannt wurde er als Bürotrottel in der preisgekrönten Comedy „Stromberg“ und als gemütlicher Polizist in der Krimiserie „Mord mit Aussicht“. Seit einiger Zeit überzeugt Bjarne Mädel jedoch auch in ernsten Rollen, der 51-Jährige gilt zunehmend als gefragter Charakterdarsteller in der deutschen Film- und Fernsehszene.
Im TV-Drama „Tage des letzten Schnees“ (3. Februar, 20.15 Uhr, ZDF) spielt Mädel den verheirateten Banker Markus Sellin, der eine verhängnisvolle Affäre mit einer jungen Frau beginnt, ihr eine Wohnung kauft und fortan ein Doppelleben mit Familie und Geliebter führt. Als die junge Frau erschossen auf einer Parkbank gefunden wird, führt die Spur zu Sellin.
Herr Mädel, im TV-Drama „Tage des letzten Schnees“ erleiden Sie in einer Szene einen Nervenzusammenbruch, den Sie sehr glaubwürdig spielen. An was haben Sie da gedacht?
Bjarne Mädel: Ich hatte ehrlich gesagt vorher keine Ahnung, wie ich das spielen soll, aber als der Moment dann gekommen war und ich wusste, dass die Kamera auf mich zufährt, hatte ich eine Intuition und dachte: Der ertrinkt jetzt. Ich hatte die Vorstellung, dass der da am Telefon buchstäblich ertrinkt, es geschieht ja während eines Telefongesprächs. Ich bin dann am Hörer ertrunken, ich kann das nicht besser beschreiben.
Sie haben sich ganz auf Ihre Intuition verlassen?
Mädel: Genau, denn wenn man sich bei einer solchen hochemotionalen Szene zu viel vornimmt, dann kann das auch furchtbar schiefgehen. Man kann das damit kaputt machen in einem solchen Augenblick. Ich bereite mich in der Regel schon auf Szenen vor und mache mir meine Gedanken, habe aber auch die Erfahrung gemacht, dass es gut ist, loszulassen, wenn es dann soweit ist. Das gilt für emotionale Situationen ganz besonders, auf die kann man sich nicht hundertprozentig vorbereiten, da muss man spontan sein.
Dazu gehört auch eine gewisse Nervenstärke, oder?
Mädel: Ich würde es eher Selbstbewusstsein nennen, was auch mit einer gewissen Berufserfahrung zu tun hat. Früher hätte ich mich das nicht getraut, einfach so in eine Szene hineinzuspringen, mittlerweile vertraue ich mir da selber mehr.
Klar, man kann sich auch vorher überlegen, wie es geht und das dann zu Hause vor dem Spiegel üben. Aber ich habe das Gefühl, dass man in dem Moment versucht, eine Erwartung zu erfüllen, dass man etwas ganz besonders gut hinkriegen will – und genau dann ist es nicht mehr authentisch. Im echten Leben können Sie sich ja auch nicht auf außergewöhnliche Situationen vorbereiten.
Der Film basiert auf einem Krimi von Jan Costin Wagner. Haben Sie die Vorlage gelesen oder andere Bücher dieses Autors?
Mädel: Ich mochte den Film „Das letzte Schweigen“ von Baran bo Odar wahnsinnig gern und habe geguckt, wer dazu die Vorlage geschrieben hat. Seitdem habe ich alle Romane von Jan Costin Wagner gelesen und bei „Tage des letzten Schnees“ sofort gedacht, dass man diese tragische und überaus intensive Geschichte auch unbedingt verfilmen sollte. Als das Angebot kam, musste ich keine Sekunde überlegen. Seine Figuren haben eine tiefe Melancholie und heben durch ihre Tiefe das Krimiformat auf ein sehr beseeltes Niveau.
Sie spielen einen Banker. Wie haben Sie sich auf die ungewohnte Rolle vorbereitet?
Mädel: Ich habe mich nicht auf ein Rollenklischee vorbereitet, sondern auf einen Menschen in einer angespannten Lebenssituation. Einen Mann, der unter Druck gerät und von positiven Emotionen überrascht wird. Die Masken-und Kostümabteilung hat mir dann dabei geholfen, mich in einen erfolgreichen Banker zu verwandeln. Da ich diesen Mann eher schlank im Kopf hatte und in den Anzügen eine gute Figur machen wollte, habe ich mal wieder versucht, in kurzer Zeit viel Gewicht zu verlieren.
Der von Ihnen gespielte Markus Sellin führt ein anstrengendes Doppelleben mit zwei Frauen. Warum tut er sich diesen Stress an?
Mädel: Weil er sich verliebt, aber seine Frau und seinen Sohn eben auch noch liebt und nicht loslassen will. Er ist ein Typ, der beruflich schneller und klarer Entscheidungen treffen kann als in seinem Privatleben. Da seine Angst zu verletzen groß ist, schlittert er ein wenig in diese Situation hinein. Er genießt die Frische, während er auf die Klarheit seines Herzens hofft.
• Kritik: „Tage des letzten Schnees“ ist beklemmend und großartig
Bekannt wurden Sie mit ganz anderen, lustigen Rollen wie in der Comedy-Serie „Stromberg“ oder in „Mord mit Aussicht“. Erfinden Sie sich schauspielerisch gerade neu?
Mädel: Würde ich nicht sagen, weil ich im Prinzip bei der Arbeit überhaupt keinen Unterschied mache, ob das jetzt komisch sein soll oder emotional berührend. Ich nehme Komödien genauso ernst wie Dramen, mir ist nur wichtig, dass die Sachen gut sind.
Wird es denn irgendwann mit dem „Tatortreiniger“ weitergehen, den Sie sieben Jahre lang sehr erfolgreich gespielt haben?
Mädel: Die Serie haben wir ja im vergangenen Jahr beendet, und zwar ganz bewusst zu einem Zeitpunkt, von dem wir sicher sein konnten, dass man uns noch vermissen wird. Ich kann mir derzeit nicht vorstellen, dass der noch mal wiederkommt, die Figur ist eigentlich zu Ende erzählt.