Berlin. Ex-Bundespräsident Christian Wulff ist tief gefallen. Bei Markus Lanz blickte er zurück: ganz ohne Groll. Wie er das geschafft hat.
- Am Dienstagabend war Christian Wulff bei Markus Lanz im ZDF zu Gast
- Dabei gab er einen Einblick in seine Gefühlswelt und erzählte, warum er nach seiner Zeit als Bundespräsident „alles verloren“ habe
- Unterstützung erhielt er von Dirk Roßmann, dem Chef der Drogeriemarktkette Rossmann
- Für Aufregung sorgte eine Aussage Wulffs über den Islam und die Migration, die Roßmann so nicht akzeptieren wollte
Ein Gescheiterter? Nein, diesen Eindruck machte Christian Wulff nicht. Im Gegenteil: Der ehemalige Bundespräsident wirkte am Dienstagabend in der Talkshow von Markus Lanz wie jemand, der mit sich und seiner Vergangenheit im Reinen ist.
Von Trauer, gar Groll keine Spur. Dabei sagte der CDU-Politiker selbst: „Ich habe alles verloren. Frau weg, Amt weg“. Wulff ist so tief gefallen wie kaum ein Spitzenpolitiker vor ihm. 2010 wurde er Bundespräsident, mit 51 Jahren der Jüngste in der Geschichte der Bundesrepublik. Zwei Jahre später der Rücktritt.
Am Ende stolperte er über Fragen nach einem Hauskredit, den Vorwurf der Bestechlichkeit und eine Sprachnachricht auf der Mailbox des „Bild“-Chefredakteurs. Juristisch endete die „Wulff-Affäre“ zwar mit einem Freispruch. Der Schaden an Amt und Person aber blieb.
Markus Lanz: Wulff kam mit seinem Freund, dem Unternehmer Dirk Roßmann
Zusammen mit dem Unternehmer Dirk Roßmann – einem Wulff-Freund – war der ehemalige Bundespräsident in der ersten Lanz-Sendung des neuen Jahres zu Gast. Ein Erfolg für den Moderator, Auftritte des CDU-Politikers sind selten.
Dabei hat Wulff durchaus etwas zu sagen. Doch zunächst wirkte es so, als hätten beide Gäste vor allem ein Ziel: den gestürzten Politiker nachträglich als Opfer zu inszenieren. „Ich bin der am besten durchgescreente Politiker der Bundesrepublik Deutschland“, sagte Wulff. „Bei keinem anderen wurde so auf den Cent nachgerechnet wie bei Christian Wulff“, pflichtete Dirk Roßmann bei. Lesen Sie hier: Rossmann-Chef will mit Büchern Klima retten.
Wulff rät jungen Politikern: „Privat ist privat“
Doch es wäre unfair, den Auftritt lediglich auf vermeintliche Relativierungsversuche zu reduzieren. Dafür argumentierte Wulff zu differenziert – auch mit Blick auf eigene Fehler. So bedauerte er, im Ferienhaus des Unternehmers Carsten Maschmeyer übernachtet zu haben, auch die Nachricht auf der Mailbox des „Bild“-Chefs, die als Versuch, unliebsame Berichterstattung zu verhindern, gewertet wurde, sei ein Fehler gewesen.
Jungen Politikern riet Wulff, ihr Privatleben – anders als er es tat – abzuschirmen. „Privat ist privat“. Das sei zwar bedauerlich, da es ein Interesse an den Menschen hinter dem Amt gebe. Sein Fall habe aber gezeigt, dass es besser sei, die Türe erst gar nicht zu öffnen. Das klang dann doch etwas nach Selbstmitleid.
Christian Wulff kämpfte sich mit psychologischer Hilfe zurück
Spannender war es zu erfahren, wie Wulff seinen tiefen Fall erlebt hat. „Es war für mich am Ende völlig unmöglich, noch Radio zu hören oder TV zu schauen“, sagte er. Von den alten Freunden sei nur ein Drittel geblieben, mit psychotherapeutischer Hilfe habe er den Weg zurück in ein erfülltes Leben gefunden.
Heute, sagt Wulff, habe er eines gewonnen: Gelassenheit. „Das vielleicht schönste deutsche Wort“, so der Ex-Präsident. Er habe gelernt, wohlwollender zu sein, auch eigene Fehler zu akzeptieren. Das Land zu verlassen, kam für ihn aber nie in Frage. „Ich fühle mich hier wohl“, sagte der CDU-Politiker.
Wulff wirkte aufgeräumt, souverän. Und als Politiker ohne Amt konnte er auch aktuelle Probleme deutlich ansprechen. So etwa die aktuelle Lage im Nahen Osten, den Konflikt zwischen Iran und den USA.
Der überzeugte Transatlantiker Wulff blickt mit großer Sorge auf die Region. US-Präsident Donald Trump bekam sein Fett weg. Dessen Motto – „America Frist“ – erinnert Wulff an „Deutschland, Deutschland über alles“. „Das darf so nicht bleiben. Wir müssen auf die amerikanische Bevölkerung zugehen“, forderte er.
Für Wulff gehört der Islam auch heute noch zu Deutschland
Besonders glaubwürdig wirkte der Ex-Präsident beim Thema Integration. Markus Lanz zitierte die berühmte Wulff-Rede aus dem Jahr 2010, in der der damalige Bundespräsident feststellte, dass auch der Islam zu Deutschland gehöre. Ein Fehler? „Ich habe nie an einem Satz der damaligen Rede gezweifelt“, sagte Wulff.
Den lautstarken Protest von Dirk Roßmann, der die Rede im Kontext aktueller Migrationsbewegungen kritisierte, ließ Wulff abtropfen. „Für mich gehören die vier Millionen Muslime voll dazu. Wenn ich das nicht unterschreibe, darf ich mich nicht beklagen, wenn Imame in Deutschland von der Türkei aus gesteuert werden“, so Wulff.
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Auch den Fall eines muslimischen Unternehmers in Bayern, der auf Druck der örtlichen CSU-Basis auf die Bürgermeisterkandidatur verzichtete, griff der Bundespräsident a.D. auf. Die Partei sollte darüber nachdenken, ob ein Antritt des Mannes nicht doch gut sei. „Es wäre ein Zeichen an die Muslime in unserem Land, dass sie alles werden können“, sagte Wulff.
Christian Wullf – mehr zum Thema:
Auch wenn Christian Wulff mittlerweile zurückhaltender ist, was sein Privatleben angeht, hat es auch nach seinem Rücktritt als Bundespräsident immer mal wieder Schlagzeilen um seine Person gegeben.
Als bekannt wurde, dass er als Prokurist bei einem türkischen Modelabel arbeiten sollte, erntete der Ex-Bundespräsident für den neuen Job scharfe Kritik. Auch das Ehe-Aus von Ex-Präsident Christian Wulff und seiner Frau Bettina sorgte naturgemäß für Schlagzeilen.
Markus Lanz in der Mediathek
Die ganze Folge von „Markus Lanz“ sehen Sie in der ZFD-Mediathek.