Berlin. Heidi Klum, Bill Kaulitz und Conchita Wurst suchen auf ProSieben die „Queen of Drags“. Worum es geht – und wieso es vorab Ärger gab.
Die erste Kandidatin ist raus, zum Auftakt von „Queen of Drags“ flog Janisha Jones aus der neuen Show – die mit einer soliden, aber nicht überragenden Quote noch Luft nach oben hat. Aber: ProSieben dürfte geahnt haben, dass ihr neues TV-Experiment erstmal etwas Anlauf braucht – und nicht für jeden ist.
Denn: Geschminkte Männer sind manchen zuviel des Guten. Pech für jene – der Sender drückt das neue Format mit großer Werbekraft in die deutsche Primetime. In der Show treten Männer als Frauen auf. Nicht nur Fans des inoffiziellen US-Vorbilds RuPaul wissen: Das kann unterhaltsam werden.
Ist der TV-Markt reif für ein Format, dass die klassischen Geschlechterrollen nicht nur auflöst, sondern pulverisiert? Im Jahr 2019 zeigt ProSieben das erste Mal „Queen of Drags“. Heidi Klum, Bill Kaulitz und Conchita Wurst moderieren die Suche nach dem Mann, der als Frau die beste Show macht.
Was in den USA seit Jahren erfolgreich klappt, soll jetzt auch in Deutschland Quote bringen. Aber ist Moderatorin Heidi Klum dafür die richtige Wahl? Ausgerechnet „Germany’s Next Topmodel“-Moderatorin tritt als Gastgeberin in der Show auf.
In einer Petition äußerten Dragqueens die Sorge, dass Drag nicht als selbstverständliche Kunstform präsentiert werde, sondern vor allem klischeebehaftet – und auch noch von einer weißen Heterofrau.
„Queen of Drags“ – Darum geht es in diesem Artikel:
- Was ist „Queen of Drags“?
- Wer ist in der Jury?
- Was sind die Sendetermine von „Queen of Drags“?
- Wie sind die Quoten von „Queen of Drags“?
- Was ist überhaupt Drag?
- Welche Drag Queens sind dabei?
- Warum gibt es Kritik an Heidi Klum?
- Wer hatte die Idee für Drag Shows im Fernsehen?
Bei der Premiere der ersten Folge in Berlin am Montagabend zeigte sich ProSiebens Vize-Chef Christoph Körfer begeistert. Er nennt die Show „eine Herzensangelegenheit“ und meinte, er habe lange von einem solchen Format geträumt. Und er zitiert sogleich einen Tweet, in dem sich jemand ausgelassen hatte, dass ihm solche Leute, die Drag Queens, leid täten. „Das zeigt, wie wichtig es ist, dass wir so etwas machen.“
„Queen of Drags“- Das sind Jury und Gast-Juroren
Alles zum neuen Format auf ProSieben.
Was ist „Queen of Drags“ auf ProSieben?
Einfach gesagt: „Germany’s Next Topmodel“ – nur eben mit Männern, die sich zu Frauen umstylen. Sechs Folgen lang treten zehn Kandidaten gegeneinander an. Reality-TV-typisch werden die zehn Männer in eine Villa gepfercht, in diesem Fall steht diese in Los Angeles.
Jede Woche gibt es ein neues Motto, vor einem Publikum treten die Kandidaten dann in ihren Frauenrollen vor ein Publikum und werden für ihren Auftritt von der Jury beurteilt. Wer am schlechtesten gesehen wird, fliegt raus.
„Queen of Drags“ – Das sind die Sendetermine:
- Folge 1: Donnerstag, 14. November 2019, 20.15 Uhr
- Folge 2: Donnerstag, 21. November 2019, 20.15 Uhr
- Folge 3: Donnerstag, 28. November 2019, 20.15 Uhr
- Folge 4: Donnerstag, 05. Dezember 2019, 20.15 Uhr
- Folge 5: Donnerstag, 12. Dezember 2019, 20.15 Uhr
Wer ist in der Jury von „Queen of Drags“?
Model und Moderatorin Heidi Klum, der Tokio-Hotel-Sänger Bill Kaulitz und Eurovision-Sieger Conchita Wurst bewerten die Kandidaten. Zudem kommen Gast-Juroren vorbei, unter anderem Olivia Jones, LaToya Jackson und die Sängerin Leona Lewis.
Wie sind die Quoten von „Queen of Drags“?
Ganz in Ordnung, aber nicht mitreißend. Die erste Folgen schalteten 1,5 Millionen Menschen ein. Das ist nicht schlecht, aber ProSieben hofft sicher auf mehr – der Werbeaufwand ist groß (und teuer). Immerhin: Besonders die junge Zuschauer ist zumindest interessiert. Bei den 14- bis 49-Jährigen schalteten 11,4 Prozent ein.
Was ist überhaupt Drag?
Drag bezeichnet das Spiel mit Geschlechterrollen. Eine Drag Queen ist ein Mann, der sich als Frau anzieht, beim Drag King ist es andersrum. Dabei müssen die Darsteller nicht schwul (oder lesbisch oder irgendwas anderes) sein. Zudem sind die Grenzen fließend, die Rollen der Drag-Künstler sind nicht zwingend auf ein Geschlecht festgelegt, das Spiel mit und der Bruch von Normen ist Tagesgeschäft.
Ein wichtiger Bestandteil dieser Kunstform ist, dass alles etwas überzeichnet ist. Kurz: Die Outfits sind irre, die Schminke gefühlt zentimeterdick aufgetragen, das Affektierte gehört zum Konzept. Ein „zu viel“ gibt es in der Show nicht.
Welche Drag Queens sind dabei?
- Aria Addams, 22, aus Wolfsburg
- Katy Bähm, 27, aus Berlin
- Bambi Mercury, 32, aus Berlin
- Candy Crash, 32, aus Berlin
- Yoncé Banks, 27,aus Paderborn
- Samantha Gold, 35, aus Hamburg
- Vava Vilde, 30, aus Stuttgart
- Janisha Jones, 26, aus München – ausgeschieden in der 1. Folge
- Hayden Kryze, 20, aus Bern
- Catherrine Leclery, 48, aus Köln
Im Vorfeld gab es viel Kritik an Heidi Klum – warum?
Weil Heidi Klum heterosexuell ist und mit Conchita Wurst nur ein Jury-Mitglied der queeren Szene angehört. Queer bezeichnet die Abweichung von der Norm und wurde oft als Schimpfwort im englischsprachigen Raum genutzt, bis sich Menschen, die nicht heterosexuell sind, den Begriff zu eigen gemacht haben.
Queen of Drags – So sehen die Teilnehmer ungeschminkt aus
Nun ist Heidi KIum vieles, aber nicht sonderlich normabweichend. Entsprechend wurde kritisiert, dass ProSieben diese große Bühne einer Primetime-Show nicht stattdessen jemandem gibt, der weiß, wie es ist, anders zu sein – und für diese Andersartigkeit auch oft angefeindet zu werden.
Wie geht Heidi Klum mit dem Vorwurf um?
Sie spricht in der ersten Folge über die Kritik, die sie sich anhören müsse, „weil ich hetero bin und eine Frau“. Aber sie müsse sich auch „viele verletzende Sachen anhören“. So sei sie etwa „zu alt für ihren Mann“, habe sie lesen müssen. „Das ist auch Shaming“. Die Drag Queens, mit denen sie während der Show darüber spricht, stimmen ihr darin zu.
Allerdings: Ganz entkräften wird Klum die Gegenargumente wohl nicht. Denn wie es ist, in einer heteronormativen Welt aufzuwachsen, in denen Abweichler noch immer verbal und teils physisch für ihre reine Existenz angegriffen werden, ist eben doch noch mal eine andere Hausnummer.
Ihr definitiv queerer Jury-Kollege Conchita Wurst steht voll hinter Klum: „Ich nehme diese Chance wahr, um die Drag-Thematik in den Mainstream zu bringen, und finde, dass Heidi, auch wenn sie nicht aus dieser Szene kommt, eine absolute Berechtigung hat, eine Performance zu beurteilen.“
Conchita Wurst – Mann oder Frau?
Wer es unbedingt definieren muss: Beim Eurovision Song Contest 2014 trat Conchita Wurst als Sängerin an – und gewann mit dem Song „Rise Like A Phoenix“. Inzwischen möchte Wurst wieder als Mann wahrgenommen werden. Zwischenzeitlich hatte er öffentlich über seine HIV-Infektion gesprochen, damit das Stigma der Infektion aufgelöst wird – und um zu zeigen, dass sich die Krankheit heute gut behandeln lässt.
Drag Shows im Fernsehen: Wer hat es erfunden?
ProSiebens Vize-Senderchef Christoph Körfer ist stolz auf das Format, dass die Produktionsfirma RedSeven geboren hat, sagte er bei der Show-Premiere. Viele fühlen sich an „RuPaul’s Drag Race“ erinnert. Eine amerikanische Show, in der ebenfalls Drag Queens gegeneinander antreten – RuPaul, der Moderator, ist selbst Drag Queen.
- So lief die erste Folge: „Queen of Drags“-Premiere: Mehr als Karneval für Schwule
- Sie fiel bisher weniger durch abenteuerliches Make-up auf (was sich in der Show ändern wird). Dafür ist Heidi Klum für gruselige Halloween-Verwandlungen bekannt. Das Model hat auch gute Verbindungen zu einem der Jury-Mitglieder. Mit Bills Bruder Tom Kaulitz ist sie verheiratet. Bei der Premiere von „Queen of Drags“ in Berlin fehlte Klum – sie drehte „Germany’s Next Topmodel, dem Format bleibt sie noch sechs Jahre treu. Mindestens.