Essen. . Die finale Staffel der Netflix-Serie ist brennend aktuell.

Als im Juli 2013 die ersten Folgen von „Orange Is The New Black“ liefen, war die Streaming-Welt noch eine andere. Netflix war quasi unangefochten in seiner Position als Spitzenreiter unter den Anbietern und hatte den finanziellen wie kreativen Schwung, Neues auszuprobieren. Die Zuschauer auf der anderen Seite waren noch nicht vom Serienformat übersättigt und hatten Lust auf komplexe Figuren.

Komplexe Charaktere im Überfluss

Von denen bot „Orange Is The New Black“ jede Menge – womöglich sogar ein paar zu viel. Über die Jahre wuchs die feste Besetzung auf rund 30 Charaktere an – und nur echte Fans werden noch all die Hintergrundgeschichten im Kopf haben.

Dabei ist die Rahmengeschichte schnell erzählt: „Orange Is The New Black“ spielt im Frauengefängnis von Litchfield und folgt dessen Insassinnen im Alltag. Dabei konzentrierte sich die Erzählung anfangs stark auf Piper Chapman, die damit klarkommen musste, dass eine unkluge Entscheidung sie ihr privilegiertes Mittelschicht­leben gekostet hat. Von der Realität hinter Gittern hatte sie zuvor nicht einmal Albträume gehabt.

In diesem Schockmoment war gerade in den ersten Staffeln die größte Stärke von „Orange Is The New Black“ angelegt: Das Gefängnissystem der USA wurde, überzeichnet oder auch nicht, in all seinem Zynismus und seiner Grausamkeit dargestellt. Zugleich setzte die Serie ein Zeichen für die Menschlichkeit der Gefangenen. Das tat und tut sie noch heute nicht nur mit Drama und Witz, sondern auch in warmen und leisen Tönen.

Nun endet gleich in mehrerlei Hinsicht eine Ära: Netflix ist durch konkurrierende Anbieter unter Druck geraten und reagiert, indem lieb gewonnene Serien verabschiedet werden – die siebte Staffel von „Orange Is The New Black“ ist die letzte – und Piper Chapman ist wieder auf freiem Fuß. So war im vergangenen Jahr die sechste Staffel zu Ende gegangen.

Kampf für bessere Bedingungen

Diese neue Staffel führt nun vor Augen, wie schnell die Hoffnung auf einen Neuanfang sich in Angst vor dem Scheitern verwandeln kann: Piper kämpft mit sozialer Ausgrenzung und den vertrackten Konditionen von Freiheit auf Bewährung an zwei Fronten zugleich. Derweil sitzt ihre Frau Alex weiterhin in Litchfield ein – wo eine junge Direktorin um humanere Bedingungen für die Gefangenen ringt und alte Bekannte ein Wiedersehen feiern.

Neben dem Leben nach der Gefangenschaft rückt über einen erzählerischen Schlenker eine weitere Thematik in den Fokus: das Vorgehen der Behörde ICE, die in den USA für die Identifikation und Ausweisung illegal eingewanderter Menschen verantwortlich ist und deren Aktionen unter US-Präsident Donald Trump vermehrt für Diskussionsstoff sorgen.

Die brennende Aktualität dieser Problematik und die emotionale Eindringlichkeit der Bilder sorgen dafür, dass der Abschied von „Orange Is The New Black“ besonders schwer fällt: Gerade jetzt hat die Serie mehr zu sagen als jemals zuvor. Als sie 2013 anlief, hatte Barack Obama gerade erst seine zweite Amtszeit als US-Präsident angetreten. Nicht nur die Streaming-Welt ist heute eine andere.

>>>INFO: Orange Is The New Black – Staffel Sieben, 13 Episoden, je 55 Min., ab 26. Juli, Onlinestreaming, Netflix FSK 16. Wertung: 4 / 5 Punkte