Essen. ZDF-Chefredakteur Nikolaus Brender muss gehen. Der 60-Jährige erhielt am Freitagabend nicht die erforderliche Drei-Fünftel-Mehrheit im Verwaltungsrat des Senders. Hessens Ministerpräsident Roland Koch (CDU) hatte sich gegen ihn gestellt. Senderchef Markus Schächter bedauerte das Votum.
„Von wegen Staatsferne beim ZDF. Den gegenteiligen Beweis haben wir heute angetreten”, schimpft Jürgen Brautmeier, stellvertretender Leiter der Landesanstalt für Medien (LfM). Der CDU-Mann Brautmeier reagierte damit auf die Absetzung von Nikolaus Brender als ZDF-Chefredakteur. In einer geheimen Abstimmung hatte der ZDF-Verwaltungsrat am frühen Abend mit sieben zu sieben Stimmen gestimmt. Damit wurde die erforderliche Drei-Fünftel-Mehrheit für eine Vertragsverlängerung Brenders verfehlt.
ZDF-Intendant Markus Schächter bedauerte das Ergebnis „außerordentlich”. Auch ein mit Brender abgestimmter Kompromissvorschlag, den Vertrag nur bis 2012 zu verlängern, habe keine Mehrheit gefunden. „Ich habe kein Verständnis dafür”, sagte Schächter. Die öffentliche Diskussion habe die grundsätzliche Frage des Umgangs zwischen Verwaltungsrat und Intendant aufgerufen. Die Länder als Träger des ZDF hätten jetzt die Pflicht, im Rahmen der anstehenden Novellierung des Rundfunkstaatsvertrags für belastbare Rechtsgrundlagen Sorge zu tragen.
Bis Jahresende solle ein neuer Chefredakteur feststehen. In Medienkreisen wird seit geraumer Zeit der Leiter des Hauptstadtstudios in Berlin, Peter Frey, als Nachfolger Brenders gehandelt.
Der hessische Ministerpräsident Roland Koch (CDU), Vize-Vorsitzende des Verwaltungsrates, verteidigte die Entscheidung gegen Brender. Koch gilt als Drahtzieher der Absetzung Brenders. „Er hat im Auftrag der Kanzlerin mit einer Unverfrorenheit durchgegriffen, die einzigartig ist”, erklärte Ulrich Spies, Referent des Adolf-Grimme-Preises. Koch hingegen betonte, es sei nicht um Brenders „journalistische Integrität” gegangen. Koch sprach sich für einen Neuanfang aus, der einen Wechsel zum Wohle des ZDF herbeiführen solle.
Nowottny geschockt
Gerade das Wohl des ZDF sieht Brautmeier in weiter Ferne. „Dieser Vorgang ist eine wissentliche und bewusste Beschädigung des Intendanten und des Modells ZDF”, erklärte er. Fast unisono reagierte Friedrich Nowottny, ehemaliger WDR-Intendant: „Das hätte ich nicht gedacht. Der politische Wille einer Gruppe hat sich auf schreckliche Weise durchgesetzt. Das beschädigt den öffentlich-rechtlichen Rundfunk auf dramatische Weise – unabhängig von der Person Brender.”
Eine „schwierige Situation” für das ZDF erkannte auch der Vorsitzende des Verwaltungsrats, der rheinland-pfälzische Ministerpräsident Kurt Beck (SPD). Er schloss rechtliche Schritte nicht aus. Die forderte auch Spies. „Es muss eine Entscheidung getroffen werden, die die Unabhängigkeit des Rundfunks garantiert.”
Über die Zukunft von Brender war seit Monaten gestritten worden. Die Unions-Vertreter im 14-köpfigen Verwaltungsrat waren eher gegen Brender eingenommen. Koch hatte Brender in der Vergangenheit scharf kritisiert und seine Ablösung gefordert. Brender ist seit April 2000 ZDF-Chefredakteur. Der Vertrag des 60-Jährigen läuft noch bis Ende März 2010.
Schächter hatte dem Verwaltungsrat eine Verlängerung vorgeschlagen. Laut ZDF-Staatsvertrag macht der Intendant bei der Bestellung des Chefredakteurs dem Verwaltungsrat einen Vorschlag, dann müssen beide Einvernehmen herstellen. In den vergangenen Tagen hatten zahlreiche Vertreter aus Politik, Medien und Gesellschaft ihre Unterstützung für Brender bekundet und vor politischer Einflussnahme auf die Rundfunkfreiheit gewarnt.