Merkel bei Anne Will: „Twitter nervt mich überhaupt nicht“
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Berlin. TV-Interviews gibt Angela Merkel nur selten. Bei „Anne Will“ sprach die Kanzlerin über Trumps G7-Eklat, Italien und den Fall Susanna.
Es sind politisch unbequeme Zeiten für die Kanzlerin. Vor einem Jahr hätte sie nicht geahnt, mit welchen Problemen sie sich jetzt herumschlagen müsse, so Angela Merkel am Sonntagabend bei Anne Will im Einzelinterview. Thema der Sendung: „Nach dem G7-Gipfel“.
Außerhalb von Wahlkampfzeiten tritt Merkel nur selten im Fernsehen auf. Aber direkt nach dem G7-Gipfel gab es einiges zu bereden.
. Die US-Zölle auf Stahl- und Aluminiumprodukte und die Reaktion der EU drohen einen Handelskonflikt auszulösen.
„Ernüchterndes Erlebnis“
Amerika sei wirtschaftlich stark, so Merkel, daraus ziehe Trump in diesem Konflikt seine Macht. Aber über dem Konflikt schwebt die Frage, wie überhaupt Abkommen mit einem Präsidenten ausgehandelt werde könnten, der Abkommen einseitig aufkündige. „Es war natürlich ein ernüchterndes Erlebnis, als wir auf dem Heimflug erfahren mussten,
Die transatlantische Zusammenarbeit sieht Merkel nicht gefährdet, man müsse da nur etwas vorsichtiger sein. Für die Europäer bedeute das jetzt, dass sie Prinzipien und Werte mit anderen Partnern verteidigen müssen. Kanada stellte sich im Zoll-Konflikt auf die Seite der Europäer.
Anne Will kritisierte, dass der Konflikt für die deutsche Wirtschaft ein Risiko sein könnte. „Nichtstun kann ein Risiko sein“, verteidigte sich Angela Merkel. Sie betonte die Bedeutung von Indien und China: „Auch dort muss man immer wieder suchen, wo kann man zusammenkommen, wo gibt es Gegensätze.“
Merkel verteidigt Trump
Die Gastgeberin versuchte ihre Gesprächspartnerin immer wieder aus der Reserve zu locken, aber Merkel ließ sich durch die spitzen Fragen der Moderatorin nicht aus der Ruhe bringen. Merkel zeigte Verständnis für das Verhalten von Trump und seine Politik des „America First“. Und sie zeigte Verständnis für europakritische Rechtskonservative wie Viktor Orbán, den Ministerpräsidenten von Ungarn.
Donald Trump und Kim Jong Un in Singapur
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„Ich wundere mich über Ihre Gelassenheit“, kommentierte Anne Will. Aber die Kanzlerin erklärte, dass eine aufgeheizte Debatte in ihren Augen keine Lösung sei: „Ich wünsche mir, dass wir sprachlich uns nicht immer weiter aufpumpen.“ Merkel wirkte, als habe sie diese Maxime ein ganzes Wochenende lang intensiv verfolgt: „Die Sache ist nicht schön, ich habe ja von Ernüchterung gesprochen, was für mich schon viel ist.“
. Im italienischen Wahlkampf hatte es viel Kritik an Europa gegeben – und stellvertretend dafür auch an der Kanzlerin.
Auf die Frage, wie die ersten Gespräche mit Conte verlaufen seien, sagte Merkel: „Man muss manchmal auch durch eine Durststrecke gehen um hinterher wieder gemocht zu werden.“ Sie sei heute auch in anderen Ländern wieder sehr willkommen, in denen sie während der Eurokrise verflucht wurde: „Ich bin in Griechenland so viel beschimpft worden, ich bin in Portugal so viel beschimpft worden.
Conte machte unterdessen mit einem Tweet auf sich aufmerksam. Er forderte, der russische Präsident Putin solle wieder zum G7-Gipfel eingeladen werden,
Die Moderatorin fragte darauf scherzhaft die Kanzlerin, wie sehr Twitter sie nerve. „Nein, Twitter nervt mich überhaupt nicht“, so Merkel und lachte. Das Lachen war wohl auch eine kleine Befreiung, weil Anne Will die Frage zur Auflockerung eingestreut hatte. Sie ließ sonst kaum locker.
„Können Sie es sich so leicht machen, Frau Merkel?“
Als 2015 erheblich mehr Asylsuchende nach Deutschland kamen als in den Vorjahren, arbeitete das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge weit über seiner Kapazität. „Sie wussten, dass die Behörde heillos überfordert war“, warf Anne Will ihrer Interviewpartnerin vor und fragte, wieso die Kanzlerin nicht früher reagiert habe. Als Merkel mitten in ihrer Antwort war, wurde sie von Anne Will unterbrochen: „Aber können Sie es sich so leicht machen, Frau Merkel?“
: „Ich mache es mir nicht leicht. Ich bin für die Dinge politisch verantwortlich.“ Aber Anne Will ließ nicht locker. Sie habe gesagt, das zuständige Bundesinnenministerium sei überfordert gewesen, fasste Will die Antwort der Kanzlerin zusammen. Damit habe sie die Verantwortung auf den damaligen Innenminister Thomas de Maizière geschoben.
„Ankerzentren“ als ein Teil der Lösung
Das wies Merkel entschieden von sich und fügte hinzu: „Ich glaube, jetzt kommt es auf jedes Wort an.“ Merkel hält ihre Entscheidungen vom Herbst 2015 nach wie vor für richtig. Aber ihre Handhabung der verantwortlichen Behörde „war alles andere als ideal“, räumte sie ein. Gemeinsame Asylstandards und eine Asylbehörde auf europäischer Ebene sieht sie als wichtigen Schritt, um mit der Migration nach Europa umgehen zu können. „Und wenn Europa das nicht schafft, ist Europa in Gefahr.“
Wut und Trauer nach dem Mord an Susanna
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Zur Asylpolitik der Bundesregierung sollen künftig sogenannte Ankerzentren gehören, in denen Asylsuchende festgehalten werden, bis über ihre Asylanträge entschieden ist. Merkel verknüpfte das Thema mit dem
, der „uns jetzt alle anspornen sollte, das jetzt auch wirklich flächendeckend bundesweit zu machen“, sagte Merkel.
Ausweichend reagierte Merkel auf die Frage, ob sie auch eine Initiative von CSU-Innenminister Seehofer unterstütze, Asylsuchende noch vor den deutschen Landesgrenzen aufzuhalten: „Ich habe Ihnen die Frage eigentlich beantwortet.“
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