Berlin. Warum trinken hierzulande so viele Menschen, obwohl Alkohol sehr schädlich ist? Bei „Maischberger“ kamen dazu auch Suchtkranke zu Wort.
Alkohol ist in Deutschland ein größeres Thema, als man glauben mag. Schließlich trinken hierzulande laut Gesundheitsministerium knapp zehn Millionen Menschen in schädlichem Ausmaß – jährlich sterben gut 74.000 Menschen an den Folgen. Zudem
Auch interessant
dass schon mehr als ein Bier oder Glas Wein pro Abend negative Folgen haben kann.
Braucht es also strengere Regeln? Müssen wir einfach disziplinierter sein? Diesen Aspekten wollte am Mittwochabend auch Sandra Maischberger nachgehen. Die große These lautete dabei, dass das Problem in Deutschland verharmlost wird.
Eine alkoholkranke Mutter
In erster Linie hatte die Runde allerdings bewegende Schicksale zu bieten. Die Schauspielerin Nina Bott etwa berichtete von ihrer alkoholabhängigen Mutter, die an ihrer Sucht starb. „Ihr ganzer Körper litt“, erzählte Bott. So habe ihre Mutter beispielsweise Probleme mit dem Kurzzeitgedächtnis gehabt. Auch sei sie ständig wegen Stürzen im Krankenhaus gewesen.
Durch die Suchtkrankheit der Mutter wurden die anderen Familienmitglieder zu sogenannten Co-Abhängigen, die das Problem unbewusst verschleierten – etwa indem sie den Betroffenen decken. „Als Kind ist man stinksauer, man kann es nicht verstehen“, sagte Bott. Vielleicht sei die Erfahrung der Grund dafür, dass sie Alkohol heute überwiegend meide.
Zwei trockene Alkoholiker berichten
Von der Co-Abhängigkeit konnte auch Uli Borowka berichten. „Otto Rehagel hat mich gedeckt, wenn ich besoffen zum Training erschien“, erzählte der frühere Fußballer. Zwischenzeitlich habe er jeden Tag einen Kasten Bier sowie jeweils eine Flasche Wodka und Whiskey getrunken. Am Ende brachte ein schwerer Autounfall unter Alkoholeinfluss die Wende.
Ähnliches erzählt Henning Hirsch. „Ich habe jeden Tag getrunken und den Alkohol funktional verwendet“, erzählte der Politikwissenschaftler. Trotzdem habe er im Job gut funktioniert, da sein Körper die Exzesse gut vertrug. „Ich glaube, ich saß auch mal mit 2,5 Promille im Büro.“ Am Ende klappte es nach 30 Entzügen und konsequenten Besuchen bei den anonymen Alkoholikern: Hirsch ist seit mehreren Jahren trocken.
Kontrolliertes Trinken als Alternative
Streit entbrannte in der Runde, als es um das sogenannte kontrollierte Trinken ging. Davon berichtete die Rentnerin Monika Schneider, die in einem Altenheim für Suchtkranke lebt und dort täglich drei Gläser Sekt ausgeschenkt bekommt. „Ich möchte keinen Entzug machen, es schmeckt mir“, sagte Schneider – und lobte das System.
Kritik daran kam von Borowka. „Viele Menschen werden rückfällig, weil sie glauben, kontrolliert trinken zu können“, sagte er. Der Mediziner Helmut Seitz erklärte, dass kontrolliertes Trinken nur für jene funktionieren könne, die partout nicht vom Alkohol wegkommen könnten. „Für Abstinenzler geht das nicht!“ Diese würden sofort wieder rückfällig werden.
Wann ist man süchtig?
Doch wie viel Alkohol ist eigentlich in Ordnung? Seiz empfahl, nicht täglich zu trinken. „Mal an einem Samstag zwei kleine Gläser Bier, das ist schon in Ordnung“, sagte der Direktor des Alkoholforschungszentrums der Universität Heidelberg. Alkohol habe viele negative Auswirkungen auf den Körpern und würde schon in geringeren Mengen das Krebsrisiko erhöhen.
Auch interessant
„Sucht ist, wenn man jeden Tag trinken muss, weil man einen körperlichen Drang verspürt.“ Allerdings gebe es auch Menschen, die ohne diesen Drang und einfach aus schlechter Gewohnheit trinken würden.
Das Fazit
Diese Ausgabe von „Maischberger“ packte einen mit bewegenden Schicksalen, die einen Einblick in das Drama einer Alkoholabhängigkeit gaben. Darüber kam allerdings die angekündigte Debatte zu kurz, die sich mit den gesellschaftspolitischen Aspekten des persönlichen Alkoholkonsums befassen wollte.
Die Makroebene wurde zwischendurch von Borowka gestreift, als der darauf hinwies, wie extrem weit verbreitet Alkohol im Land sei – und wie stark der Konsum verharmlost werde. „Viele Eltern haben ihre Vorbildfunktion vergessen“, kritisierte der Ex-Sportler. Dort müsse man ansetzen: Mit Prävention bei den Jüngsten lasse sich das Meiste verhindern.
Zur Ausgabe von „Maischberger“ in der ARD-Mediathek