Berlin. Im „Tatort“ wird der zwölfjährige Felix zum Doppelmörder. Bestraft wird er nicht. Doch was sieht deutsches Recht in solchen Fällen vor?

Es gibt keine zuverlässige Statistik darüber, wie häufig Kinder in Deutschland zu Mördern werden. Fakt ist aber: sehr, sehr selten.

Im „Tatort: Unter Kriegern“ aus Frankfurt mordet der zwölfjährige Felix Voss gleich mehrfach: Er tötet einen gleichaltrigen Jungen aus seinem Sportverein, er bringt seine eigene Mutter um. Und, so viel wird am Ende des Films klar, es ist nicht das erste Mal, dass er zum Mörder wird.

Im „Tatort“ Frankfurt bleibt Felix offenbar völlig unbehelligt. Doch was passiert eigentlich, wenn in Deutschland ein Kind ein Tötungsdelikt begeht? Kommt es zur Anklage? Zum Prozess? Zu einem Urteil? Ein Überblick:

• Welche Gesetze gelten in Deutschland?

Diebstahl, Sachbeschädigung, ja, sogar Mord – es klingt wie ein Freibrief für Kinder, Straftaten zu begehen: „Schuldunfähig ist, wer bei Begehung der Tat noch nicht vierzehn Jahre alt ist“, heißt es in Paragraf 19 des Strafgesetzbuches (StGB).

Selbst bei Mord spielt es in Deutschland strafrechtlich gesehen also keine Rolle, ob ein Kind schuldig ist oder nicht. Denn in Deutschland sind Kinder bis zur Vollendung des 14. Lebensjahres nicht strafmündig.

„Tatort“: Suche nach einem Kindermörder

Im Heizungskeller des hessischen Sportleistungszentrums wird eine Kinderleiche gefunden. Die Kommissare Anna Janneke (Margarita Broich) und Paul Brix (Wolfram Koch) suchen im Frankfurter „Tatort“ nach dem Mörder des kleinen Malte Rahmadi.
Im Heizungskeller des hessischen Sportleistungszentrums wird eine Kinderleiche gefunden. Die Kommissare Anna Janneke (Margarita Broich) und Paul Brix (Wolfram Koch) suchen im Frankfurter „Tatort“ nach dem Mörder des kleinen Malte Rahmadi. © HR | Bettina Müller
Schnell haben Janneke und Brix einen Verdächtigen gefunden.
Schnell haben Janneke und Brix einen Verdächtigen gefunden. © HR | Bettina Müller
Sven Brunner (Stefan Konarske, r.) arbeitet als Hausmeister im Sportleistungszentrum – und hatte ein ziemlich enges Verhältnis zum getöteten Malte.
Sven Brunner (Stefan Konarske, r.) arbeitet als Hausmeister im Sportleistungszentrum – und hatte ein ziemlich enges Verhältnis zum getöteten Malte. © HR
Schnell wird auch klar, dass Brunner schon einmal wegen schwerer Gewaltverbrechen im Gefängnis saß. In einer Art Selbsthilfegruppe lässt er sich von Kristof Waldner (Marek Harloff, Mitte) noch immer beraten, um seine Aggressionen im Griff zu behalten.
Schnell wird auch klar, dass Brunner schon einmal wegen schwerer Gewaltverbrechen im Gefängnis saß. In einer Art Selbsthilfegruppe lässt er sich von Kristof Waldner (Marek Harloff, Mitte) noch immer beraten, um seine Aggressionen im Griff zu behalten. © HR | Bettina Müller
Joachim Voss (Golo Euler, Mitte) leitet das Sportleistungszentrum. Weil er an einem hohen Sportfunktionärsposten interessiert ist, will er auf jeden Fall verhindern, dass der Skandal um die Kinderleiche im Keller des Sportzentrums an die Öffentlichkeit gerät.
Joachim Voss (Golo Euler, Mitte) leitet das Sportleistungszentrum. Weil er an einem hohen Sportfunktionärsposten interessiert ist, will er auf jeden Fall verhindern, dass der Skandal um die Kinderleiche im Keller des Sportzentrums an die Öffentlichkeit gerät. © HR
Auch Voss’ Stiefsohn Felix (Juri Winkler) trainiert im Sportleistungszentrum.
Auch Voss’ Stiefsohn Felix (Juri Winkler) trainiert im Sportleistungszentrum. © HR
Er ist einer der Letzten, die Malte lebend gesehen haben – offenbar im Streit mit Hausmeister Brunner.
Er ist einer der Letzten, die Malte lebend gesehen haben – offenbar im Streit mit Hausmeister Brunner. © HR | Bettina Müller
Kommissar Brix will Felix deshalb befragen. Bei seinem Besuch im Hause Voss ist nur die Mutter von Felix, Meike Voss (Lina Beckmann), dabei.
Kommissar Brix will Felix deshalb befragen. Bei seinem Besuch im Hause Voss ist nur die Mutter von Felix, Meike Voss (Lina Beckmann), dabei. © HR
Meike und Joachim Voss führen eine seltsame, fast geheimnisvolle Ehe.
Meike und Joachim Voss führen eine seltsame, fast geheimnisvolle Ehe. © HR | Bettina Müller
Der erfolgreiche Joachim Voss schikaniert seine Frau Meike, wo und wann immer er kann.
Der erfolgreiche Joachim Voss schikaniert seine Frau Meike, wo und wann immer er kann. © HR | Bettina Müller
Zu Felix pflegt er aber ein sehr inniges Verhältnis, ist zwar streng, wenn es um die sportliche Leistung seines Stiefsohnes geht, verbündet sich mit ihm aber gegen seine Frau.
Zu Felix pflegt er aber ein sehr inniges Verhältnis, ist zwar streng, wenn es um die sportliche Leistung seines Stiefsohnes geht, verbündet sich mit ihm aber gegen seine Frau. © HR | Bettina Müller
Auch Felix hat kaum Achtung vor seiner Mutter.
Auch Felix hat kaum Achtung vor seiner Mutter. © HR
Meike Voss kann die verbalen und körperlichen Demütigungen ihres Ehemannes und ihres Sohnes kaum aushalten. Immer wieder überlegt sich, wie sie ihren Mann umbringen kann. Ob sie sich auch traut?
Meike Voss kann die verbalen und körperlichen Demütigungen ihres Ehemannes und ihres Sohnes kaum aushalten. Immer wieder überlegt sich, wie sie ihren Mann umbringen kann. Ob sie sich auch traut? © HR | Bettina Müller
Wegen ihrer Mordgedanken will sich Meike Voss helfen lassen und gerät dabei an Kristof Waldner, der auch den Hausmeister Sven Brunner seinen Klienten nennt. Nach der ersten Gruppensitzung trifft sie – nicht ganz zufällig – auf die Kommissare Janneke und Brix.
Wegen ihrer Mordgedanken will sich Meike Voss helfen lassen und gerät dabei an Kristof Waldner, der auch den Hausmeister Sven Brunner seinen Klienten nennt. Nach der ersten Gruppensitzung trifft sie – nicht ganz zufällig – auf die Kommissare Janneke und Brix. © HR
Gelingt es Anna Janneke und Paul Brix, das Geheimnis um Maltes Mörder zu lösen und die Wahrheit ans Licht zu bringen?
Gelingt es Anna Janneke und Paul Brix, das Geheimnis um Maltes Mörder zu lösen und die Wahrheit ans Licht zu bringen? © HR | Bettina Müller
1/15

Selbst wenn die Ermittlungen eindeutig auf den Täter hinweisen, wird es weder Anklage noch Prozess und Urteil geben. Auch ein Ermittlungsverfahren gegen ein unter 14-jähriges Kind ist wegen des Alters nicht möglich.

Spurensicherung und -auswertung oder Zeugenbefragungen werden natürlich trotzdem durchgeführt, auch der mutmaßliche Täter darf befragt werden. Nur richten sich die Ermittlungen eben nicht direkt gegen das Kind. Ein Kind im Sinne des Gesetzes kann nicht bestraft werden.

Anders ist die Gesetzeslage bei Jugendlichen, also Minderjährigen, die älter als 14, aber jünger als 18 Jahre sind.

• Was passiert mit den Tätern?

Trotz der Schuldunfähigkeit bei Kindern bleibt ein Mord für einen unter 14 Jahre alten Verdächtigen natürlich nicht folgenlos. Therapien, Unterbringung in psychiatrischen Einrichtungen, regelmäßige Besuche durch das Jugendamt bei der Familie, Inobhutnahme des Kindes – solche und andere Maßnahmen, teils im Jugendhilferecht verankert, sind denkbar.

• Wie häufig sind Tötungsdelikte, die von unter 14-Jährigen begangen werden?

Eine Statistik über noch nicht strafmündige Mörder gibt es in Deutschland nicht. Da sie nicht verurteilt werden können, werden unter 14-Jährige auch statistisch nicht als Täter erfasst.

Allerdings landen strafunmündige Kinder dennoch als Tatverdächtige in der Polizeilichen Kriminalstatistik (PKS) des Bundeskriminalamts (BKA). „Strafunmündige Kinder (...) werden bei den Tatverdächtigen mitgezählt, weil über die Schuldfrage die Justiz und nicht die Polizei zu befinden hat“, heißt es dazu auf Seite 19 (Bd. 3) der PKS für das Jahr 2016.

In dieser aktuellsten verfügbaren Ausgabe ist zu lesen, dass bei den Straftatbeständen Mord, Totschlag und Tötung auf Verlangen nur zehn aller 2775 erfassten Tatverdächtigen jünger als 14 Jahre sind. Das entspricht etwa 0,4 Prozent.

Zum Vergleich: Die höchsten Anteile innerhalb ausgewählter Straftatengruppen verzeichneten Kinder im Jahr 2016 bei Brandstiftung/Herbeiführung einer Brandgefahr (8,4 Prozent) und bei Sachbeschädigung (7,0 Prozent).

Aus einer PKS-Tabelle (Tabelle 20), die das BKA auf seiner Internetseite zum Download zur Verfügung stellt, geht zudem hervor, dass es sich nur bei einem der im Jahr 2016 erfassten Tötungsdelikte von Kindern tatsächlich um Mord im Sinne des Paragrafen 211 StGB handelt.

• Welche Fälle sorgten in der Vergangenheit für Aufmerksamkeit

Vor etwas mehr als zwei Jahren sorgte ein Fall aus Sachsen-Anhalt für Aufsehen.

. Der Junge war anschließend zu seinem eigenen Schutz in einer geschlossenen Einrichtung untergebracht worden.

Im Streit um schlechte Schulnoten erschoss ein damals Zwölfjähriger aus Braunschweig Ende 2004 seine Eltern und versuchte anschließend, sich selbst zu töten. Er überlebte schwer verletzt. Offenbar hatte sein Vater damit gedroht, ihn in ein Internat zu stecken.

Ein erst vierjähriger Junge aus Itzehoe misshandelte Ende 1999 seine zwei Monate alte Schwester so schwer, dass der Säugling an den Verletzungen starb.