Köln. Ein Familiendrama treibt die Kommissare Schenk und Ballauf auseinander. „Mitgehangen“ ist der beste Kölner „Tatort“ seit Jahren.
Die Currywurst muss Freddy Schenk diesmal allein vom Pappteller aufpieken. Gibt es ein stärkeres Bild für die Krise mit seinem alten Buddy Max Ballauf? Das allein macht freilich noch keinen guten Kölner „Tatort“, denn bei so einem alten (Ermittler-)Paar hat es natürlich immer wieder mal geknallt.
Aber „Mitgehangen“ gibt dem Konflikt eine neue Tiefenschärfe, es sind nicht mehr die abgehangenen Kabbeleien zwischen dem bürgerlichen Schenk und dem bindungslosen Ballauf. Eine Ermittlung treibt sie auseinander und stellt ihre Lebensentwürfe infrage.
„Tatort“-Regisseur fächert das Drama vor dem Drama auf
Die erste Leiche im Film ist der Tatverdächtige, der Mann hat sich in der Zelle erhängt. Aber war er wirklich ein Mörder? Regisseur Sebastian Ko wählt die Rückblende und fächert das Drama vor dem Drama auf.
Der Reifenhändler Grevel (Moritz Grove) soll seinen Kompagnon umgebracht haben, der Bursche hatte Lolita-Fotos von Grevels Teenie-Tochter geknipst, Porno-Collagen von Grevels Frau Katrin (Lavinia Wilson) gebastelt und immer wieder Geld aus dem Familienunternehmen abgezweigt.
Familiendrama im neuen „Tatort“ aus Köln
Für Ballauf (Klaus J. Behrendt) ist Grevel ohne Frage der Täter, Schenk (Dietmar Bär) zweifelt, und er zweifelt zusehends am Kollegen, der den Familienvater mit roher Verbissenheit in die Untersuchungshaft treibt und die Wahrheit aus dessen Frau und den beiden Kindern herauspressen will.
„Wissen Sie eigentlich, was Sie hier kaputtmachen?“, fragt ihn der Verdächtige irgendwann, und Schenk gibt für Ballauf die Antwort: „Weiß er nicht, er hat keine Familie.“
Kameramann kreiert viele kleine, stahlharte Bilder
Das vorzügliche Drehbuch von Johannes Rotter unterläuft mit Finesse die Erwartungshaltung des Zuschauers, weil es sich erzählerischen Klischees verweigert. Es fokussiert sich aber nicht nur auf das Auseinanderdriften der beiden Polizisten.
Mit einem Ballauf, der die bösen Geister der Arbeit beim wieder aufgenommenen Schwimmtraining wie besessen vertreiben will, und einem Schenk, der verzweifelt nach anderen Verdächtigen sucht, weil er spürt, wie Grevels Familie zerbricht.
Rotter hat vor allem auch das Drama ebendieser Familie im Blick, für deren Zerfall Ko und sein exzellenter Kameramann Kay Gauditz viele kleine, stahlharte Bilder finden. Wie eine erschreckend stumpfe Beischlafszene, als Katrin Grevel ihren Mann im Knast besucht.
Moritz Grove und vor allem die wieder einmal überragende Lavinia Wilson spielen ihre Rollen des netten Kerls, der zu gut scheint für diese Welt, und der Frau, die auch in den schlimmsten Momenten versucht, irgendwie die Haltung zu wahren, mit einer so glaubhaften Intensität, dass es schmerzt.
Zerbröselndes Mittelstandsglück
Auch Bär und Behrendt, die in einigen der letzten Fälle in Routine zu erstarren drohten, werden hier endlich einmal wieder gefordert und haben ein paar große Momente.
Ko inszeniert das Zerbröseln des kleinen Mittelstandsglücks als schnörkellosen Krimi. Olaf Didolff hat mit Saxophon und Keyboards einen unbehaglichen Soundtrack als perfekte Begleitung komponiert. Nur für den düstersten Augenblick lässt er der Totengräber-Stimme von Leonard Cohen den Vortritt. Auch das passt.
Fazit: Der beste Kölner „Tatort“ seit „Franziska“ 2014.
Sonntag, 18. März, 20.15 Uhr, ARD: „Tatort: Mitgehangen“