Berlin. Für Maria Furtwängler war „Der Fall Holdt“ ihr 25. „Tatort“ – und auch ihr extremster. In dem Krimi wird ihr selbst Gewalt angetan.
Gebrochen, geschunden und gedemütigt: So fertig wie in ihrem 25. „Tatort: Der Fall Holdt“ war Maria Furtwängler als Hauptkommissarin Charlotte Lindholm noch nie zu sehen. In der Jubiläumsfolge, die die ARD an diesem Sonntag wiederholt, spielt Furtwängler gegen das Image der stets kontrollierten Ermittlerin an.
Im Interview mit goldenekamera.de zur Erstausstrahlung sprach sie über die Zukunft ihrer Rolle, Gewalt gegen Frauen – und Männer, die als Vorbild taugen.
Wovon handelt der „Fall Holdt“?
Maria Furtwängler: Es geht um einen spannenden Entführungsfall! Außerdem hat Charlotte direkt am Anfang ein Gewalterlebnis – und bearbeitet den Fall deshalb nicht mit gewohnter Souveränität. Mein 25. „Tatort“ ist zugleich mein extremster!
Aber ist es auch Ihr letzter „Tatort“?
Furtwängler: Keinesfalls! Im nächsten Fall greifen wir das Trauma auf und schauen, wie Charlotte damit umgehen wird.
Eine entführte Bankiersgattin, 300.000 Euro Lösegeld, ein polarisierender Aufruf der Familie, ein Suizid – „Der Fall Holdt“ erinnert an den bis heute ungeklärten realen Kriminalfall Maria Bögerl aus dem Jahr 2010. Mit Absicht?
Furtwängler: Wir haben uns von verschiedenen Entführungsfällen inspirieren lassen, natürlich auch von dem Fall Bögerl. Mich interessiert an einem Fall immer vor allem die Nachvollziehbarkeit von Emotionen und Handeln der Figuren. Besonders spannend finde ich diesmal, dass Charlotte selbst Gewalt erleidet und was das mit ihrem Selbstbild macht.
Ist der gesellschaftliche Umgang mit Gewalt gegenüber Frauen auch die Message des Films?
Furtwängler: Wir zeigen, dass Gewalt Gegengewalt erzeugt. Außerdem beleuchtet der Krimi, dass sich viele Frauen schuldig fühlen, wenn sie Gewalt erlebt haben. Denn das Gros der Opfer glaubt, dass es die Situation selbst provoziert habe. Auch Charlotte ist plötzlich nicht mehr die clevere Kommissarin, sondern kopflos. Sie verstrickt und verrennt sich, und wird zur Anti-Heldin.
Wie schwer war die Kampfszene mit den männlichen Angreifern?
Furtwängler: Letztlich sind zwar nur zwei bis drei Handgriffe zu sehen, aber bis das ganze Schubsen und Treten echt aussah, mussten wir unglaublich viel proben. Und als ich schließlich im kurzen Kleidchen – voller Kunstblut – erniedrigt auf dem Asphalt lag, fühlte ich mich total entblößt.
Lindholm und die Kerle – das ist ein komplexes Kapitel. Bringt Ihre Ermittler-Figur den Männern eigentlich Glück?
Furtwängler: Nein, dazu müssen Sie nur an Charlottes „Tatort“-Flirts denken, die von Hannes Jaenicke, Heino Ferch und Benjamin Sadler gespielt wurden. Charlotte ist ihre berufliche Mission wichtiger als ihr privates Glück.
Sind Sie eigentlich Feministin?
Furtwängler: Na klar!
Und ein Fan von Alice Schwarzer?
Furtwängler: Alice Schwarzer hat viel erreicht, aber ich bin zurückhaltend mit der Äußerung, dass ich ein Fan von irgendjemandem bin.
Welchen zeitgenössischen Mann finden Sie vorbildhaft?
Furtwängler: Barack Obama! Er ist ein unglaublich integrer, feiner Mann. Ich habe ihn einmal kennengelernt und war wirklich hingerissen. Er ist männlich, extrem attraktiv und er benimmt sich Frauen gegenüber hochgradig respektvoll.
Traumatisierte Kommissarin im „Tatort“
Klingt nach einem seltenen Exemplar …
Furtwängler: Genau! Solche „role models“ fehlen uns bisweilen auf der männlichen Seite. Vor allem medial werden primär zwei Rollenbilder gespiegelt: Entweder starke Männer, die ihre Frauen schlecht behandeln, oder Weicheier, die ihren Frauen alles hinterhertragen. Heutzutage haben Jungs wirklich ein Problem, sich zu orientieren. Viele Männer rudern total herum, wenn es darum geht, ihre Männlichkeit zu definieren.
Zurück zum „Fall Holdt“: Der Krimi erinnert an Fälle aus „Aktenzeichen XY“. Mögen Sie diese Fahndungssendung?
Furtwängler: Ich habe eine frühe, traumatische Erinnerung an „Aktenzeichen XY“. Denn als Kind habe ich zufällig bei der Sendung reingeschaut und gesehen, wie ein dunkel gekleideter Mann eine Mutter und ihr Kind erschlägt und sie dann in ein Flussbett wirft. Das war schon krass. Ich bin bis heute nicht sehr hart gesotten – und ich mag auch keine Horrorfilme.
Die Zuschauer möchten, dass Charlotte Lindholm öfter ermittelt. Bleibt es bei der Ansage, dass es nur einen Fall im Jahr gibt?
Furtwängler: Ja. Mit einem Ausrufezeichen!
Neuerdings experimentiert der „Tatort“ viel mit neuen Genres – von Horror (Frankfurt) über Porno (München) bis hin zu „Zombies“ (Hamburg). Gut so?
Furtwängler: Der „Tatort“ ist das experimentierfreudigste Format im deutschen Fernsehen, weil es eine große, treue Fangemeinde gibt, die viele Ab- und Umwege mitgeht. Ich finde es cool, Teil dieser Familie zu sein. Vielleicht werde ich ja selbst eines Tages mal einen Zombie-Horror-Porno-„Tatort“ drehen.
Dann sollten Sie sich zur Vorbereitung die DVD „Zombie Strippers“ aus dem Jahr 2008 leihen …
Furtwängler: Echt? So was gibt’s schon? Mal sehen, was Charlotte dazu sagt!
Dieser Text ist zuerst auf goldenekamera.de erschienen.