Waigel bei Will: Wahlumfragen sind Schuld an der Verwirrung
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Berlin. Wohlfühlwahlkampf auf der einen, Wut und Hass auf der anderen Seite: Was ist da los? Diese Frage stellte am Sonntagabend Anne Will.
Der Bundestagswahlkampf steht im Ruf, langweilig zu sein. Doch stimmt das wirklich? Schon der Blick nach rechts spricht eigentlich dagegen. Schließlich wird mit der
einziehen, die sich zumindest teilweise am äußersten rechten Rand bewegt. Grund zur Sorge und Kontroverse gäbe es allein schon deswegen genug.
Zwischen den anderen Parteien läuft der Wahlkampf derweil tatsächlich – man könnte sagen – gesittet, ab. Diese Schizophrenie wurde am Sonntagabend von Anne Will aufgegriffen: „Zwischen Wohlfühlwahlkampf und Wutbürgern – Verstehen die Politiker ihre Wähler noch?“, fragte die Redaktion.
Woher kommt die Wut?
Für die Frage nach der Wut bestimmter Randgruppen gerade in Ostdeutschland schickten sich vor allem zwei Gäste an, Erklärungen zu finden. Der frühere Leiter der Sächsischen Landeszentrale für Politische Bildung, Frank Richter, argumentierte mit den Folgen der Wende. Da sei für viele Menschen kein Stein auf den anderen geblieben, sagte Richter. Auch hätte man dadurch erst spät Erfahrung mit der Demokratie gemacht.
Zugleich warb Richter, der mit seiner Gesprächsbereitschaft Pegida gegenüber für Aufsehen gesorgt hatte, dafür, auch mit diesen Menschen weiter zu diskutieren. „Der Osten hat dieses Image nicht verdient.“
Doch wenn es um die Folgen der Wiedervereinigung geht, warum wird dann gerade eine Kanzlerin aus dem Osten im Osten massiv angefeindet? Gesine Schwan erklärte das auch damit, dass Angela Merkel keinen besonderen Sinn für die neuen Bundesländer habe. „Sie hat nie wert darauf gelegt, als Frau oder Ostdeutsche wahrgenommen zu werden,“ sagte die SPD-Politikerin. Hinzu komme, dass sich die Ostdeutschen nach der Wende immer fragen lassen mussten, ob sie wirklich sauber seien. „Nichts ist schlimmer, als den Selbstwert von Menschen in Frage zu stellen.“
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Woher kommt die Langeweile?
Und auf der anderen Seite? Für die vermeintliche Langeweile im Wahlkampf wurden von der Runde gleich mehrere Erklärungen angeboten. „Der Wahlkampf ist politisch entleert: Es geht viel zu viel um mediale Kriterien“, sagte der der Medienwissenschaftler Bernhard Pörksen. So kritisiere Schulz etwa immer nur den Kommunikationsstil der Kanzlerin statt ihrer Inhalte. Aus einer Angst vor Polarisierung heraus gebe es keinen Wettstreit der großen Gesellschaftsentwürfe mehr.
Ähnlich argumentierte die Publizistin Thea Dorn, die insbesondere kritisierte, dass
. „Wir verdanken Angela Merkel, dass wir keine hysterischen Verhältnisse haben“, befand Dorn. Und dass die große Mitte aus vier Parteien entscheiden könne: „Am Ende aber kommt immer Merkel als Kanzlerin raus.“
Theo Waigel identifizierte vor allem die vielen Umfragen als Problem. „Jeden Tag begleitet uns eine Umfrage, die uns sagt: Es ist alles schon entschieden“, sagte der frühere Finanzminister und große Merkel-Anhänger. Das suggeriere den Wählern, dass sie nichts mehr zu sagen hätten. „Das ärgert die Menschen, deshalb gibt es so viele Unentschlossene.“ An der Trägheit des Wahlkampfes trage die Kanzlerin aber keine Schuld. Schließlich sei es am Herausforderer, zu attackieren.
Der Dialog des Abends
Neben dieser Analyse hatte Waigel auch immer wieder die Lacher auf seiner Seite. Etwa als sich ein charmanter Dialog zwischen ihm und der Gastgeberin entspann: „Manche sehen älter aus als ich, sind in Wahrheit aber jünger“, freute sich der CSU-Politiker. „Selbstverständlich, Sie sehen natürlich sehr gut aus“, bestätigte Anne Will. Darauf ein freudestrahlender Waigel: „Danke, darauf habe ich lange gewartet.“
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Das Fazit
Diese Ausgabe von „Anne Will“ war in vielerlei Hinsicht erhellend. Allerdings hätte es der Sendung gut getan, wenn statt Wohlfühlwahlkampf und Wutbürgern in der Hauptsache nur eine der beiden Facetten thematisiert worden wäre. So betrieben die Diskutanten munteres Themen-Hopping und blieben bei einigen spannenden Aspekten an der Oberfläche.
Deutlich wurde in jedem Fall: Wegen der vielen unentschlossenen Wähler sollte man das Ergebnis der Bundestagswahl nicht leichtfertig vorwegnehmen und sich lieber an die weisen Worte eines alten Fuchses halten. „Man ist immer gefährdet: Niemand weiß, was in so einem Vakuum passiert“, sagte Theo Waigel.
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