Was unterscheidet Heiner Lauterbach von Bruce Willis?Zum Beispiel ein gutes Drehbuch, wie der Drama-Versuch "Die Entführung" zeigt

Essen. Zur Sache: So knapp der Titel, so schnell kommt "Die Entführung" (20.45 Uhr, Arte) zu ihrem Kernpunkt. Der erfolgreiche Professor Robert Lunt (Lauterbach) referiert über das Thema Kriminalität in künftigen Mega-Citys und deren Ursache: Armut. Der Zuschauer, reich an Fernseherfahrung, merkt sich diese Sätze. Sie werden noch einmal einen Sinn ergeben.

Wenige Szenen später wird der Mikrokosmos der Familie Lunt erschüttert. Sohn Tobias ist entführt worden, eine halbe Million Euro als Lösegeld aufgerufen. "Ich hol ihn zurück!", verspricht der kontrollbesessene Robert seiner Gattin Ellen (Claudia Michelsen) - und holt erstmal die Polizei.

Weil den Freunden und Helfern aber am wenigsten zugetraut wird, übernehmen die Lunts das Ruder selbst. Robert hängt seinen Verfolger ab und besteigt in den hohen Bergen eine Gondel, um sich vom Ballast des Lösegelds zu befreien. Leider passt die Tasche nicht durch die Tür, und so beschließt er heldenhaft, der Kabine aufs Dach zu steigen.

(Wer heute Abend nichts Prickelnderes vorhat, liest jetzt nicht weiter.) An dieser Stelle kommt auch Bruce Willis ins Spiel. Lauterbach hat die passende Frisur, springt mutig in den Abgrund, ist arg früh arg lädiert und beißt sich trotzdem durch, um sein Kind aus den Klauen des Bösen zu reißen. Und hier offenbart sich einer der Unterschiede zum Glatzkopf aus Hollywood: das Drehbuch. Stirb langsam, Spannung!

Das Konstrukt aus Bauch (Frau), Kopf (Mann) und Faust (Polizei) knickt minütlich mehr in sich zusammen. Was rasant klingt, sinkt wie in Blei gegossene Filmminuten dahin: Das Paar wagt eine zweite Geldübergabe, erkennt dabei einen Bekannten als vermeintlichen Entführer, folgt ihm, überschlägt sich mit dem Wagen, holt den Verdächtigen aus seiner Hütte, baut einen zweiten Unfall, schießt auf den Mann, redet ihn mürbe, schießt ein zweites Mal, verarztet ihn und fragt sich immer noch: Ist dieser Mann überhaupt unser Mann?

(Letzte Chance, sich das bisschen Spannung zu retten!) N-a-t-ü-r-l-i-c-h ist er es und wimmert es endlich zum Himmel, das Motiv: Armut, Sie erinnern sich!?

Den kläglichen Rest aus Flucht, versuchtem Mord, einem halb versteckten aber immerhin zynischen "Ein Herz für Kinder"-Aufkleber des Kidnappers und dem unvermeidlichen Happy End raffen wir jetzt mal und ärgern uns. Denn eigentlich war die Geduld doch schon bei der zweiten Lösegeldübergabe samt wasserdicht verschnürtem Lösegeldpäckchen den Bach runtergegangen.

Vielleicht war der Vergleich mit Bruce Willis sowieso nicht ganz fair. Der hätte diese Rolle dankend abgelehnt."Ich hol ihn zurück!"