ARD-Zweiteiler "Teufelsbraten" zeigt ein Mädchen, das sich aus den Zwängen der 50er-Jahre befreien will

Essen. Ein Mädchen auf dem Gymnasium? "Du heiratest doch", sagt die Mutter. Und die enttäuschte Hilla fügt sich notgedrungen, tritt eine Lehrstelle im Büro an. Sie leidet, erst still, dann setzt sie sich lautstark zur Wehr. Hildegard, wie sie mit Taufnamen heißt, ist ein gescheites Kind, enorm wissbegierig, will mit fünf unbedingt lesen lernen. Das ist ihrer Umwelt unheimlich. "Düvelsbrode" - Teufelsbraten nennen die Eltern sie, denn ihre Ausflüge in die Welt der Wörter machen das Kind immer aufmüpfiger.

"Teufelsbraten" heißt auch der Zweiteiler, den Regisseurin Hermine Huntgeburth nach der Romanvorlage "Das verborgene Wort" von Ulla Hahn realisiert hat und den die ARD heute und Donnerstag (20.15 Uhr) ausstrahlt. Vor dem Hintergrund der Adenauer-Ära und der Zeit des "Wirtschaftswunders" vollzieht sich die schmerzhafte Emanzipation von Hildegard Palm. Dabei wird aber keine verklärende Sozialromantik ausgebreitet. Dem Zuschauer schlägt die bittere Realität im Arbeitermilieu der 50er- und 60er-Jahre entgegen. Schauplatz ist ein kleines Städtchen zwischen Düsseldorf und Köln.

Hildegards Vater (Ulrich Noethen) ist ein ungelernter Fabrikarbeiter, der mit Schlägen auf den Bildungshunger der Tochter reagiert. Die Mutter (Margarita Broich) verdient als Putzfrau ein paar Mark hinzu. Versorgt werden müssen noch die Großeltern - sie (Barbara Nüsse) streng katholisch, er (Peter Franke) gutmütig und als einziger der aufgeweckten Hilla Verständnis entgegenbringend. Erst in der Schule entdecken fortschrittliche Lehrer ihr Talent.

Huntgeburth gelingt es, diese ärmlichen Verhältnisse, gesellschaftlichen Mechanismen und die Geisteshaltung der Adenauer-Zeit anschaulich ins Bild zu setzen. Vornehmlich in blassen Brauntönen. Gesprochen wird in rheinischem Dialekt. Ein hervorragendes Spiel liefert das Ensemble, allen voran Anna Fischer, Charlotte Steinhauer und Nina Siebertz als Hildegard in verschiedenen Altersstufen.

"Den Aspekt der strengen und vor allem religiös geprägten Familie finde ich sehr interessant", sagte Huntgeburth bei den Dreharbeiten im November 2006. Sie fühle sich ein wenig an die eigene Kindheit in Köln erinnert.

Nicht alles in der Verfilmung ist übrigens ernst: Harald Schmidt besucht als "Wäschemann" die Palms und initiiert eine feucht-fröhliche Dessous-Party. Ein bisschen Loriotsche Komik - das verträgt die Inszenierung allemal. Ein wunderbares Stück Zeitgeschichte, in das man zwei Abende investieren sollte.