Berlin. Sandra Maischberger wollte mal alles anders machen – und ließ Bürger statt Politiker diskutieren. Ein spannendes Experiment mit Tücken.

„Wir wollen das Publikum zum Hauptakteur der Sendung machen“, hatte ARD-Talkmasterin Sandra Maischberger angekündigt. „Es soll nicht nur zuschauen und applaudieren, sondern wie unsere ,klassischen’ Studiogäste offen seine Meinung in der Sendung vertreten.“ Für die Premiere ihrer „Publikumsdebatte“ hatte sich Maischberger ein heikles Thema ausgesucht: „Angst vor dem Islam: Alles nur Populismus?“

Und es ging auch gleich munter los mit Volkes Stimme. „Der Islam passt nicht mehr zu Deutschland“, befand ein Mann aus Deggendorf. „Was in Köln in der Silvesternacht passiert ist, so etwas hat es vorher in Deutschland nicht gegeben.“ Man müsse „ein gesundes Maß finden“ bei der Zuwanderung.

Moderatorin lässt Gäste-Dialog nur selten zu

Es gebe „sehr nette Muslime“ in Deutschland, meinte ein anderer Mann aus dem Publikum. Aber was im Allgäu passiert sei, nämlich dass „Kreuze auf den Bergen kaputt gehauen wurden, das kann nur einer machen, der einen anderen Glauben hat“. Und außerdem: „Die Vollverschleierung passt nicht zu uns.“ Eine junge Muslimin hielt energisch dagegen: „Was stört dich das? Man sollte sich anziehen können wie man will.“

Doch den Dialog unter den Zuschauern ließ die Moderatorin nur selten zu. Es sollten offenbar so viele Gäste wie möglich zu Wort kommen. Dabei wäre weniger mehr gewesen.

Publikum statt Politiker. Menschen aus dem Volk statt der üblichen Runde mit den Göring-Eckardts, Altmaiers und Bosbachs dieser Republik. Das klang ebenso spannend wie gewagt. Denn das Konzept macht die Talkshow weniger vorhersehbar – und damit auch weniger berechenbar für die Moderatorin. Doch was brachte das Wagnis?

Auch zwei Berufspolitiker im Studio

Sandra Maischberger (l) diskutiert mit Aydan Özoguz und Gästen nach der ARD Talkshow Maischberger.
Sandra Maischberger (l) diskutiert mit Aydan Özoguz und Gästen nach der ARD Talkshow Maischberger. © imago/Horst Galuschka

Es zeigte sich schnell, was sich schon in vielen TV-Runden erwiesen hatte: Das Großthema Islam dient in Deutschland als Projektionsfläche für allerlei Ängste, Sorgen und Ressentiments verschiedenster Art. Entsprechend ging es alsbald wild durcheinander in der großen Runde: Burka und Moscheebau, Kriminalität und Beschneidung, Kopftuch und Intoleranz. Und natürlich fehlte auch nicht der klebrige Halbsatz „Ich bin bestimmt nicht rechtsradikal, aber...“

Vielleicht hatte Gastgeberin Maischberger ja ihrem eigenen Mut nicht ganz getraut und deshalb doch zwei Berufspolitiker unters Publikum gesetzt: CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer und die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, Aydan Özoguz (SPD). Dem CSU-Mann fuhr Maischberger auch gleich mal in die Parade: „Wir werden heute miteinander weniger reden als sonst.“

Hetzerei von Thema zu Thema

Da wäre es doch konsequent wäre es gewesen, gleich komplett auf Politiker als Gäste zu verzichten. Erhellendes hatten Scheuer und Özoguz an diesem Abend jedenfalls nicht beizutragen. Immerhin ließ der CSU-Mann wissen, „dass Schweinefleisch natürlich auf unseren Speisekarten bleibt“. Dann ist ja gut.

Ganz anders eine Pfarrerstochter aus Hessen, die erzählte, sie habe einen jungen syrischen Moslem aus Aleppo bei sich aufgenommen. „Wir haben ein herrliches gemeinsames Zusammenleben und fühlen uns sehr verbunden“, schwärmte die Zuschauerin. Und auch der junge Mann war voll des Lobes. Doch vertiefen ging nicht, Maischberger hastete weiter zum nächsten Einspieler mit der Bundeskanzlerin.

Idee hat durchaus Charme

Die Moderatorin war angestrengt bemüht, die Diskussion zu kanalisieren, zu oft aber entglitt ihr die Regie. Gerade ging es noch um Schweinefleisch für muslimische Krankenhauspatienten, da wollte der nächste auch schon lieber über die Umbenennung von St.-Martins-Festen diskutieren. Da kam man vor dem Fernseher kaum hinterher.

Fazit: Wie es heißt, haben Maischberger und die ARD noch nicht entschieden, ob sie das Experiment mit der „Publikumsdebatte“ zur regelmäßigen Einrichtung machen wollen. Trotz der Tücken bei der Premiere sollten sie das Format nicht gleich wieder einmotten. Die Idee, Volkes Stimme in einer Talkshow zu Wort kommen zu lassen, hat ihren Charme – und ist allemal lebendiger und unterhaltsamer als die -zigste Politiker-Experten-Runde mit den üblichen Verdächtigen.