Berlin. Simon Verhoeven hat mit „Willkommen bei den Hartmanns“ erstmals einen Film mit seiner Mutter Senta Berger inszeniert. Funktioniert das?
„Willkommen bei den Hartmanns“ ist ein mutiger Film. Er polarisiert, weil er die Flüchtlingskrise als Komödie aufbereitet hat. Senta Berger und ihr Sohn Simon Verhoeven, Regisseur des Films, sind unterwegs, um für ihn zu werben. Jetzt sitzen sie im Berliner Hotel Regent.
Im Gespräch mit Peter Zander kommen auch kleine Alltäglichkeiten durch. Wenn die berühmte Mutter ihren Sohn etwa daran erinnert, doch den Tee zu trinken, bevor er kalt wird. Und wenn der Sohn solche Bemutterung nicht so gern hören mag und ihr auch manchmal ins Wort fällt, was sie höflich geschehen lässt. Da sitzt man dann nicht bei Filmschaffenden, sondern eben ganz klassisch bei einer Mutter und ihrem Sohn.
Frau Berger, Herr Verhoeven, „Willkommen bei den Hartmanns“ ist Ihr erster gemeinsamer Film. War das ein Herzenswunsch, der da in Erfüllung ging?
Simon Verhoeven: Ja.
Senta Berger: Nein.
Verhoeven: Ich versteh dich nicht, dass du das immer sagst.
Berger: Na ja, Herzenswunsch, das klingt immer so sentimental.
Verhoeven: Meine Mutter hat solche Angst vor Sentimentalitäten.
Berger: Nein, gar nicht. Ich bin ja Wienerin, wie kann ich da Angst haben vor Sentimentalitäten? Aber ich höre dann immer so etwas heraus, als hätten wir lange nur auf dieses Projekt gewartet.
Verhoeven: Meine Mutter hat mir schon mal zwei Rollen abgesagt. Und meinem Vater auch. Mein Vater (Filmregisseur Michael Verhoeven, Anmerk. d. Red.) hat durchaus einige Projekte in seinem Giftschrank, von denen er meinte, sie seien genau richtig für meine Mutter, aber sie wollte nicht. Auch wenn „Herzenswunsch“ für dich vielleicht falsch klingt – ich kann sagen, für mich war es ein Wunsch. Aber eben keiner, wofür ich extra eine unnötige Rolle ins Drehbuch geschrieben hätte. Das hätte ihren und meinen Ansprüchen nicht genügt. Ich war sehr froh, als ich dann einen Stoff hatte, bei dem ich mit Selbstbewusstsein sagen konnte: „Mama, ich habe was für dich!“
Herr Verhoeven, ist das merkwürdig, der eigenen Mutter Regieanweisungen zu geben? Noch dazu vor anderen?
Verhoeven: Tatsächlich gar nicht so. Ich gehe mit jedem Schauspieler so um wie mit ihr: auf Augenhöhe. Ich bin kein autoritärer Regisseur, ich schreibe niemandem etwas vor. Ich will, dass beim Drehen Dinge entstehen. Wir haben einfach sehr professionell miteinander gearbeitet. Und haben schon – beide – versucht, nicht zu sehr ins Private abzurutschen.
Berger: Heiner Lauterbach hat gesagt: Wenn er es nicht gewusst hätte, hätte er gar nicht gemerkt, dass wir Sohn und Mutter sind.
Verhoeven: Na ja, außer dass ich halt „Mama“ sage.
Berger: Entschuldige, da widerlegst du mich jetzt aber total.
Verhoeven: Ist doch aber so. Ich verstehe schon, wie er das meint. Aber ich kann ja nicht „Frau Berger“ zu dir sagen. Ich habe aber natürlich auch nicht so mit meiner Mutter gesprochen, wie ich das zu Hause täte. Sondern wie mit jeder anderen Schauspielerin auch.
Berger: Aber wissen Sie, wenn der Regisseur keine Anweisungen gibt, dann passiert auch nichts. Dann ist der Drehtag verloren. Einer muss am Ende Anweisungen geben.
Frau Berger, wie war das für Sie, wenn der eigene Sohn plötzlich der Chef ist?
Berger: Na ja, der Chef …
Verhoeven: Nun lass mich doch mal Chef sein! Du relativierst das immer so.
Berger: Ich mag einfach das Wort „Chef“ nicht.
Wie oft kriegen Sie jetzt die Frage gestellt, wie viel Verhoevens in den Hartmanns steckt?
Verhoeven: Ich kann das inzwischen nicht mehr hören. Als Drehbuchautor muss man sich auch in Milieus reinarbeiten, die man nicht kennt. Dass manche Journalisten diese Parallelen ziehen, ist naheliegend, aber auch naiv. Im Fall der Hartmanns war das natürlich ein Familienmilieu, das ich gut kenne. Aber das habe ich mir eher bei anderen Familien abgeguckt.
Sie, Herr Verhoeven, haben erst als Schauspieler angefangen, also im Beruf Ihrer Mutter, und sind dann umgeschwenkt zur Regie, dem Beruf Ihres Vaters. Hat sich das allmählich entwickelt?
Verhoeven: Ich wollte immer Regisseur werden! Schauspielerei war ein Umweg für mich. Vielleicht auch eine Abkürzung. Ich musste den Weg gehen, weil ich keinen Film auf die Reihe bekam. Auch nachdem ich das dann mit „100 Pro“ geschafft habe, in dem ich auch mitgespielt habe, habe ich erst mal nur Angebote als Schauspieler bekommen.
Berger: Und du hast ja auch Geld verdienen müssen!
Verhoeven: Ja, meine Eltern sind nicht solche, die einen bis in alle Ewigkeit unterstützen. Also natürlich schon, aber nicht finanziell. Und das finde ich auch richtig.
Frau Berger, haben Sie und Ihr Mann den Weg Ihres Sohnes gefördert? Oder haben Sie eher abgeraten, weil das Filmbusiness ein Haifischbecken ist?
Berger: Ach, der Simon war so nah an der Realität dran, da musste man ihm nichts erzählen. Er hat mich auch niedergeschlagen gesehen, weinen gesehen …
Verhoeven: … wenn sie schlechte Kritiken hatte.
Berger: Ach komm, nicht nur deswegen. Aber wegen unabänderlicher Misserfolge, deren Ursachen ich kannte. Und eben auch wegen der finanziellen Unsicherheit, in der man lebt, wenn man für Stoffe, die einem wichtig sind, wie zum Beispiel „Die weiße Rose“, mit eigenem Geld ins Risiko geht.
Verhoeven: Ihr habt auch mal viel Geld verloren …
Berger: Das war nicht immer lustig.
Verhoeven: Was mir meine Eltern aber schon früh mitgegeben haben: Mein Vater ist mit mir in Charlie-Chaplin-Filme gegangen und meine Mutter in Disney-Filme. Da war die Lust aufs Kino. Und die Lust, das dann zu Hause meiner Oma nachzuspielen. Meine Eltern haben mich dazu immer ermutigt, auch wenn’s wahrscheinlich grauenhaft war.
Der Film traut sich was. Es wird Leute geben, die meinen, so ein Thema könne man doch nicht als Komödie erzählen.
Verhoeven: Aber das ist ja gerade das Befreiende! Wir wissen alle, was das für eine komplexe Situation ist. Aber wir müssen dabei diese erhitzten Fronten aufgeben. Gerade in Zeiten solcher Anspannung finde ich es ganz wichtig, dass wir unseren Humor nicht verlieren und auch über uns selbst lachen können.