Berlin. Was können Kleinsparer angesichts extrem niedriger Zinsen tun? Bei „Hart aber fair“ hatte nur ein Gast eine Antwort auf diese Frage.
Die Niedrigzinspolitik der Europäischen Zentralbank (EZB) greift das Geschäftsmodell vieler Banken an. In Zeiten von einer schwachen Kreditnachfrage setzen viele Geldhäuser beim Kunden an: Negativzinsen, undurchsichtige Produkte und Kosten wie Kontoführungsgebühren sollen kurzfristig eine Schieflage verhindern.
Doch wie lange kann das gut gehen? Und missbrauchen die Banken damit nicht den Kunden als Retter in der Not? Diese Fragen stellte am Montagabend Frank Plasberg in „Hart aber fair.“
Wer ist Schuld?
Je nachdem wen Plasberg fragte, wurden ganz unterschiedliche Verursacher für die Misere genannt. Heinz Landwehr etwa, Chefredakteur der Zeitschrift finanztest, sieht die Banken in der Pflicht. Zwar sei es grundsätzlich in Ordnung, dass ein Girokonto nicht kostenfrei sei. Allerdings würden an vielen Stellen in Rahmen von unterschiedlichen Kontenmodellen intransparent zusätzliche Gebühren erhoben. „Da kann man sich den lieben langen Tag lang mit beschäftigen“, kritisierte Landwehr den „Gebühren-Dschungel“ bei vielen Geldhäusern.
Der Chef der Volks- und Raiffeisenbanken Uwe Fröhlich sah das standesgemäß anders. Die Banken würden nur die Folgen der Niedrigzinspolitik der EZB weitergeben, rechtfertigte Fröhlich das Vorgehen seiner Branche. Wenn es eine enorme Nachfrage nach Geldanlagen und zugleich eine geringe nach Krediten gäbe, sei klar, dass die Geldhäuser reagieren müssen. Und überhaupt existiere doch kein Anspruch auf ein kostenloses Konto. „Wir glauben, dass wir für unsere Leistung auch Geld verlangen können“, sagte Fröhlich.
Die Fraktionschefin der Linkspartei, Sahra Wagenknecht, hielt weder Draghi noch die Banken in erster Linie für verantwortlich. Ursächlich für die niedrigen Zinsen sei vielmehr, dass „die Superreichen“ von der Politik nicht ausreichend besteuert würden. Diese hielten enorme Vermögen vor, ohne im großem Stil zu konsumieren, wodurch das Geschäftsmodell vieler Banken in Schieflage geraten sei.
Was können Anleger tun?
Die Gemengelage ist also komplex. Auf schnelle Erleichterung in Form von höheren Zinsen sollte man auch nicht hoffen. Norbert Walter-Borjans, SPD-Finanzminister von NRW, prognostizierte gar, dass aufgrund der großen Vermögen weltweit selbst eine Erhöhung der Leitzinsen keinen sofortigen Einfluss auf die Zinsen haben würde.
Was also tun als Kleinsparer? Auf diese Frage hatte nur einer in der Runde eine Antwort. „Man muss weg vom Sparbuch“, forderte der frühere Chefvolkswirt der Deutschen Bank, Thomas Mayer. Gerade Jüngere sollten sich nicht mehr nur auf Zinssparen, sondern auch auf andere Anlageformen konzentrieren. „Es gibt seriöse Aktienangebote. Man muss dahin kommen, dass auch solche Möglichkeiten akzeptiert werden“, forderte Mayer. Um die Akzeptanz und die Kompetenz der Anleger zu erhöhen, sollten Finanzfragen zudem stärker schon in der Schule behandelt werden.
Der Ausrutscher des Abends
Und sonst so? Den Ausrutscher des Abends leistete sich der Gastgeber selbst. Als der Ökonom Mayer versuchte, die Geldpolitik des italienischen EZB-Chefs Draghi mit einem Motor zu verbildlichen, der immer wieder Starthilfe erhalte, aber partout nicht anspringen wolle, warf Frank Plasberg platt ein: „Ist ja auch ein italienischer Motor!“, um schuldbewusst nachzuschieben: „Das war jetzt blöd.“
Funfact „Verwahrentgelt“
Blöd ist auch die Sprache bei der Raiffeisenbank Gmund am Tegernsee. Diese gibt den Negativzins für EZB-Einlagen als eine von wenigen Banken in Deutschland bereits direkt an Kunden weiter, die mehr als 100.000 Euro anlegen wollen. Von einem Strafzins will der Chef des Geldhauses aber nicht sprechen. Es handle sich vielmehr um ein „Verwahrentgelt“. So so.
Der Erkenntnisgewinn
Insgesamt eher gering. Die Verantwortung verteilt sich irgendwie auf viele Schultern und echte Ausweichmöglichkeiten hat der Kleinsparer nicht – sofern er nicht einem möglicherweise windigen Bankberater vertrauen oder sich selbst in Thematiken wie ETF-Fonds einarbeiten will. Soweit so bekannt.
Einen guten Punkt machte Linken-Politikerin Wagenknecht, als sie zwischendurch noch einmal deutlich machte, dass die niedrigen Zinsen nicht wie von Raiffeisen-Chef Fröhlich behauptet alle gleichermaßen treffen. „Es ist vor allem die Mittelschicht, die geschädigt wird“, sagte Wagenknecht. Wer reich sei, könne sich einen Anlageberater und vor allem mehr Risiko und Ausfälle leisten und erreiche so weiterhin gute Renditen. Die Kleinsparer dagegen unterlägen derzeit faktisch einer verkappten Steuer auf ihr Erspartes, die kaum zu entgehen sei.