Gottschalk erklärt bei „Anne Will“ den Erfolg von Trump
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Berlin. Warum ist Donald Trump so erfolgreich? Die Erkenntnis bei Anne Will: Auf Fakten kommt es nicht mehr an. Stattdessen zählen Emotionen.
„Unsere Veteranen werden in vielen Fällen schlechter behandelt als Migranten.“ Mit solchen und ähnlichen Lügen bestreitet Donald Trump einen beträchtlichen Teil seines Wahlkampfes, wie Recherchen der „Washington Post“ zeigen. Seit Anfang September überprüft die Zeitung die wichtigsten Aussagen der beiden Kandidaten im Rennen um die US-Präsidentschaft auf ihren Wahrheitsgehalt. Dabei zeigt sich: Bei Trump sind ganze 77 Prozent der überprüften Aussagen „grob falsch“, bei seiner demokratischen Gegenkandidatin Hillary Clinton sind es knapp 14 Prozent.
Und doch ist Trump erfolgreich, in Umfragen hat er zuletzt deutlich aufgeholt. Kurz vor dem großen TV-Duell in der Nacht zu Dienstag sind die beiden Präsidentschaftsanwärter in vielen US-Bundesstaaten fast gleich auf. Wie kann das sein? Das wollte am Sonntagabend Anne Will wissen. Diskutiert wurde das Thema vom EU-Parlamentspräsidenten Martin Schulz (SPD), dem früheren Linken-Vorsitzenden Oskar Lafontaine, dem Moderator Thomas Gottschalk, der USA-Kennerin Constanze Stelzenmüller und dem Trump-Unterstützer Roger Johnson.
Gottschalk in Bestform
Zur Bestform lief in der Diskussion Thomas Gottschalk auf. Möglichen Irritationen über seine Einladung begegnete er mit schlagfertigen Analysen. Den Erfolg von Donald Trump erklärte der Unterhalter etwa mit einem Politikverständnis und einer Medienlandschaft, die komplett auf Emotionen und starke Worte ausgelegt seien. „Gegen manchen TV-Moderator ist Frau von Storch eine lupenreine Demokratin“, sagte Gottschalk mit Blick auf US-Fernsehsender wie Fox News. Zudem seien die USA faktisch ein Entwicklungsland. „Die Hälfte der Bevölkerung fühlt sich abgehängt und ist es auch“, so Gottschalk.
Für entscheidend hält der frühere „Wetten, dass..?“-Moderator aber Trumps Fähigkeiten als Entertainer. Während Clinton „wie eine kühle Chemielehrerin“ rüberkomme, wecke Trump Emotionen. „Ich schaue Trump als Entertainer begeistert zu, als Wähler sage ich: Um Gotteswillen!“, sagte Gottschalk.
Die Karriere von Thomas Gottschalk
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„Fast schon totalitäre Züge“
Der Republikaner Roger Johnson hatte eine inhaltliche Erklärung für das Phänomen Trump. Für ihn – und viele andere Wähler – sei entscheidend, dass die Alternative zu Donald Trump Hillary Clinton heißt: „Das wäre für mein Land eine Riesenkatastrophe“, sagte der frühere Soldat und Trump-Unterstützer. Als allerdings die Sprache auf Trumps anhaltende Lügen kam, wirkte Johnson verunsichert. Letztlich würde es sich doch vor allem um Übertreibungen handeln, wiegelte er ab.
EU-Parlamentarier Martin Schulz bemerkte mit Blick auf die AfD, den Front National in Frankreich oder Geert Wilders in den Niederlanden, dass es auch in Europa populistische Tendenzen gebe. Die Ursache sei ein tiefsitzendes Unbehagen bei Menschen, die sich bedroht fühlten. Darauf müsse die Politik sachlich und konkret reagieren. „Politiker, die Macht haben, können mit ihren Entscheidungen das Leben von Menschen auf Generationen prägen“, warnte Schulz. Bei Trump könne man mittlerweile „fast schon totalitäre Züge“ erkennen.
Gefühle sind stärker als Fakten
Oskar Lafontaine verband seine Erklärung von Trumps Erfolg mit seiner grundsätzlichen politischen Haltung. Die US-Bevölkerung sei durch die Wirtschaftspolitik der vergangenen Jahrzehnte kontinuierlich ärmer geworden. Darauf reagiere Trump, indem er starke Emotionen wecke und nur drei Themen bediene: Migration, Muslime und das „Establishment“. „Wenn das Gefühl stark ist, ändern Fakten nichts“, sagte Lafontaine.
Ursächlich für die Situation sei aber auch, dass Hillary Clinton als Kandidatin des Establishments, der Wall Street und des „kriegsindustriellen Komplexes“ wahrgenommen werde. „Ich hätte wirklich Schwierigkeiten zu entscheiden, wen ich wähle“, bekundete Lafontaine überraschend.
„Was in Amerika passiert, wird auch hier passieren“
Kritik für diesen Standpunkt erhielt Lafontaine von Constanze Stelzenmüller, die ihm plumpen Anti-Amerikanismus vorwarf. Als einen großen Vorteil von Trump identifizierte die Wissenschaftlerin der Brookings Institution in Washington, dass Trump sich alles erlauben könne. Clinton dagegen werde viel strenger bewertet.
„Trump befindet sich auf einem anderen Planeten“, sagte Stelzenmüller. Zugleich warb sie dafür, die Sorgen der Trump-Wähler und der europäischen Pendants ernster zu nehmen. „Was in Amerika passiert, wird hier auch passieren“, prognostizierte Stelzenmüller düster.
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