Berlin. Frank Plasbergs Talkrunde drehte sich am Montag um überteuerte Medikamente. Alle gegen die Pharmabranche? Ganz so einfach war es nicht.
Fünfmal teurer als Gold. Moderator Frank Plasberg hielt zu Beginn seiner Sendung das Krebsmedikament Opdivo hoch und erklärte, dass der Inhalt umgerechnet eben fünfmal so viel koste wie das glänzende Edelmetall. 90.000 Euro für ein Jahr Therapie.
Das Beispiel zeigt: Immer häufiger verlangen Pharmaunternehmen für neue Medikamente gegen Krebs, Hepatitis und Aids geradezu Mondpreise. Einer Studie des Wissenschaftlichen Instituts der privaten Krankenversicherer (WIP) zufolge betrug der Packungspreis für ein neues Arzneimittel im Jahr 2014 durchschnittlich rund 1560 Euro. Zwei Jahre zuvor waren es noch 560 Euro, nur ein Drittel.
„Heilung um jeden Preis — wie teuer darf Medizin sein?“ lautete der Titel der Sendung, die vor allem um ethische Fragen kreiste.
„Wir reden über einen Bereich in dem der Marktmechanismus nicht funktioniert“, sagte der Theologe und Ex-Ratsvorsitzende der Evangelische Kirche Wolfgang Huber. Der Knackpunkt bei neuen Medikamenten: Für sie gilt 20 Jahre ab der Zulassung Patentschutz. Konkurrenzunternehmen können also nicht mit günstigen Alternativen auf den Markt. Und das ärgert einerseits die Krankenkassen, die diese Kosten übernehmen sollen und die Versicherten, die für die teure Medizin über die Beiträge aufkommen.
Hepatitis-C-Medikament als Wundermittel
Doch es ging der Runde um mehr als den Ärger über Preise. Die Kernfrage lautete: Wird Gesundheit künftig vom Geldbeutel abhängen? Der SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach kritisierte überteuerte Krebsmedikamente als „unethisch“. „Rund die Hälfte der Preise bestehen aus Marketing und Gewinnen der Pharma-Unternehmen“, sagte Lauterbach. Die Runde pflichtete ihm bei. Und damit hätte die Sendung nach fünfzehn Minuten enden können. Fazit: Die Pharmabranche ist böse. Doch so schnell ging es dann doch nicht.
Denn dass sich die Welt auch bei diesem Thema etwas komplizierter darstellt, rief ein Einspiel-Film in Erinnerung: Der stellte die neuen Hepatitis-C-Medikamente Harvoni und Sovaldi vor. Eine Tablette kostet 674 Euro, für eine Ein-Jahres-Therapie zahlen die Kassen rund 57.000 Euro. Aber: Das Medikament heilt in 95 Prozent der Fälle. Eine medizinische Sensation — und dann also doch ein Argument für die teure Forschung der Pharma-Unternehmen? „Nein, denn der Hersteller hat das Medikament überteuert auf den Markt gebracht“, sagte der Krebsspezialist und Chefarzt am Helios Klinikum Berlin-Buch, Professor Wolf-Dieter Ludwig.
Ein neues Gesetzespaket von Gesundheitsminister Hermann Gröhe soll die Preise deckeln. Und zwar mit einer sogenannte Umsatzschwelle von 300 Millionen Euro. Übersteigt ein Präparat diesen Umsatz, soll der zwischen Hersteller und gesetzlichen Krankenkassen ausgehandelte Erstattungsbetrag schon vor Ablauf der Jahresfrist gelten. „Strafzoll für Innovation“, nannte Birgit Fischer, Geschäftsführerin des Verbandes forschender Arzneimittelhersteller das Vorhaben. Sie setzte sich für eine Abwägung ein. „Man wird sich immer trefflich über Preise streiten. Es hat aber niemand etwas davon wenn Arzneimittel erforscht werden, die nicht in die Anwendung kommen. Es gibt nicht den Königsweg“, sagte Fischer.
Kritiker: Anwendungsbeobachtungen sind legale Korruption
Weiter ins Zwielicht geriet die Pharmabranche als Plasberg die sogenannten Anwendungsbeobachtungen ansprach. Dabei handelt es sich um von den Pharma-Unternehmen in Auftrag gegebene Studien: Ärzte sollen den Firmen Daten über ihre Patienten schicken, wenn diese mit einem ihrer Arzneimittel behandelt werden. Die Unternehmen zahlen dafür üppige Honorare – und bieten den Ärzten damit einen Anreiz speziell ihr Medikament anzuwenden. „Das ist eine Form der legalen Korruption“, sagte Karl Lauterbach. Birgit Fischer vom Verband forschender Arzneimittelhersteller wies den Vorwurf der „Korruption“ zurück, ohne aber abzustreiten, dass es diese Anwendungsbeobachtungen gebe.
Der SPD-Politiker Lauterbach formulierte es schließlich pointiert: „Die Gesellschaft macht riesige Verluste, weil es eine Tatsache ist, dass dieses Geld an anderen Stellen fehlt, zum Beispiel in der Pflege. Es kann nicht sein, dass wir uns an allen Ecken im Gesundheitswesen tot sparen, um hier zu investieren. Das ist ein politisches Versagen.“