Marl. Bei der Grimme-Gala wurden am Freitag 14 TV-Produktionen ausgezeichnet. Den Gesprächsstoff lieferte aber ein abwesender Preisträger.

So viel ist schon lange nicht mehr über jemanden geredet worden, der gar nicht da ist. Jan Böhmermann hat am Freitag seine Teilnahme an der 52. Grimme-Gala in Marl kurzfristig abgesagt. Gesprächsthema war der 35-Jährige dennoch. Oder gerade deswegen.

Dass er nicht zum Empfang am Nachmittag kommen würde, war schon seit ein paar Tagen klar. Am Freitagmorgen aber sagte der Satiriker auch die Abendgala ab. Böhmermann soll den Fernsehpreis für seine Satire rund um den Mittelfinger des griechischen Ex-Finanzministers Yanis Varoufakis bekommen. Seit Tagen aber steht er wegen seines Schmähgedichtes gegen den türkischen Präsidenten Erdoğan unter Druck, die Staatsanwaltschaft ermittelt gegen ihn.

Böhmermann ist Top-Thema bei Grimme-Gala

Nach Informationen des Spiegel hat sich Böhmermann sogar an Kanzleramtsminister Peter Altmaier (CDU) gewandt und ihm geschrieben: „Ich möchte gerne in einem Land leben, in dem das Erkunden der Grenze der Satire erlaubt, gewünscht und Gegenstand einer zivilgesellschaftlichen Debatte sein kann.,“ Antwort hat es angeblich keine gegeben.

Das sind die Grimme-Preis-Gewinner 2016

Die Privatsender und einige TV-Serien sind die Sieger bei der Vergabe der Grimme-Preise 2016. Gleich drei Serien erhalten einen Grimme-Preis in der Kategorie Fiktion: RTL gewann eine der renommierten TV-Auszeichnungen für die Spionageproduktion „Deutschland 83“, ...
Die Privatsender und einige TV-Serien sind die Sieger bei der Vergabe der Grimme-Preise 2016. Gleich drei Serien erhalten einen Grimme-Preis in der Kategorie Fiktion: RTL gewann eine der renommierten TV-Auszeichnungen für die Spionageproduktion „Deutschland 83“, ... © RTL
... die preisgekrönte ARD-Serie „Weissensee
... die preisgekrönte ARD-Serie „Weissensee" um die Geschichte zweier Familien in der DDR und deren schicksalhafter Verstrickungen kann sich ebenfalls in die Siegerriege einreihen. © ARD
In der neuen Kategorie „Kinder und Jugend“ erhält neben der KiKa-Produktion „Ene Mene Bu“ die VOX-Serie „Club der roten Bänder“ die begehrte Auszeichnung ...
In der neuen Kategorie „Kinder und Jugend“ erhält neben der KiKa-Produktion „Ene Mene Bu“ die VOX-Serie „Club der roten Bänder“ die begehrte Auszeichnung ... © dpa
... Schauspieler Tom Oliver Schultz nahm die Trophäe am 9. März in Essen (Nordrhein-Westfalen) entgegen.
... Schauspieler Tom Oliver Schultz nahm die Trophäe am 9. März in Essen (Nordrhein-Westfalen) entgegen. © dpa
Olli Dittrich gewann mit der WDR-Produktion „Schorsch Aigner – der Mann, der Franz Beckenbauer war“ seinen vierten Grimme-Preis in der Kategorie „Wettbewerb „Unterhaltung/Spezial“.
Olli Dittrich gewann mit der WDR-Produktion „Schorsch Aigner – der Mann, der Franz Beckenbauer war“ seinen vierten Grimme-Preis in der Kategorie „Wettbewerb „Unterhaltung/Spezial“. © dpa
„Das wichtigste ist, man hält den Ball flach“, so Dittrich.
„Das wichtigste ist, man hält den Ball flach“, so Dittrich. © WDR
Der ZDF-Satiriker Jan Böhmermann wird für das Aufspießen der Stinkefinger-Affäre um den griechischen Ex-Finanzminister Gianis Varoufakis mit dem Grimme-Preis geehrt. Böhmermann erhält zusammen mit Philipp Käßbohrer und Matthias Murmann für den Beitrag „Hashtag Varoufake“ im „Neo Magazin Royale“ (ZDFneo) einen Spezial-Preis.
Der ZDF-Satiriker Jan Böhmermann wird für das Aufspießen der Stinkefinger-Affäre um den griechischen Ex-Finanzminister Gianis Varoufakis mit dem Grimme-Preis geehrt. Böhmermann erhält zusammen mit Philipp Käßbohrer und Matthias Murmann für den Beitrag „Hashtag Varoufake“ im „Neo Magazin Royale“ (ZDFneo) einen Spezial-Preis. © dpa
Das ZDF räumte mit „Patong Girl“ ab.
Das ZDF räumte mit „Patong Girl“ ab. © ZDF
Die Regisseurin und Autorin des Spielfilms Susanne Salonen darf sich freuen.
Die Regisseurin und Autorin des Spielfilms Susanne Salonen darf sich freuen. © dpa
Grimme-Direktorin Frauke Gerlach hob beispielhaft die für das Internet produzierte Sendereihe „Marhaba – Ankommen in Deutschland“ für Flüchtlinge hervor, mit der n-tv „großes gesellschaftliches Engagement“ bewiesen habe. In der Kategorie „Information und Kultur“ gewann Constantin Schreiber für Moderation und Redaktion.
Grimme-Direktorin Frauke Gerlach hob beispielhaft die für das Internet produzierte Sendereihe „Marhaba – Ankommen in Deutschland“ für Flüchtlinge hervor, mit der n-tv „großes gesellschaftliches Engagement“ bewiesen habe. In der Kategorie „Information und Kultur“ gewann Constantin Schreiber für Moderation und Redaktion. © dpa
Der erstmals für „Besondere journalistische Leistung“ vergebene Grimme-Preis ging an den Südwestrundfunk (SWR) für die Recherche „Tödliche Exporte“. Die Jury lobte die „außergewöhnliche investigative Recherche“ zum Thema illegaler Waffenhandel.
Der erstmals für „Besondere journalistische Leistung“ vergebene Grimme-Preis ging an den Südwestrundfunk (SWR) für die Recherche „Tödliche Exporte“. Die Jury lobte die „außergewöhnliche investigative Recherche“ zum Thema illegaler Waffenhandel. © SWR
In der Kategorie „Unterhaltung
In der Kategorie „Unterhaltung" zeichnet die Grimme-Jury die rbb/ARTE-Reihe „Streetphilosophy" mit dem Innovationspreis aus. Auf der Suche nach Antworten folgt die Produktion dem Wahl-Berliner Jonas durch Berlin. © obs
Die Auszeichnungen werden am 8. April 2016 im Theater der Stadt Marl (Nordrhein-Westfalen) verliehen, dem Sitz des Grimme-Instituts.
Die Auszeichnungen werden am 8. April 2016 im Theater der Stadt Marl (Nordrhein-Westfalen) verliehen, dem Sitz des Grimme-Instituts. © dpa
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„Klar sprechen hier heute alle darüber“, sagt Schauspieler Jonas Nay. Aber vor Block und Mikro will sich kaum jemand äußern. Jörg Hartmann, ausgezeichnet für die ARD-Serie Weissensee, sagt: „Ich habe das Gedicht nicht gehört, deshalb kann ich darüber nichts sagen.“ Das Thema an sich aber hält Hartmann für heikel: „Es geht um Presse- und künstlerische Freiheit.“ Jedenfalls kann er verstehen, dass der Satiriker abgesagt hat. „Wenn ich so torpediert würde, hätte ich auch keine Lust zu feiern.“

Deutsche Serien so preiswürdig wie selten

Für die anderen Preisträger und Gäste war Böhmermanns Abwesenheit allerdings kein Grund, Trübsal zu blasen. „Immer wieder großartig“ in Marl findet es etwa Olli Dittrich, der am Freitag bereits seinen vierten Grimme-Preis entgegennehmen konnte – diesmal für seine grandiose Persiflage „Schorsch Aigner – Der Mann, der Franz Beckenbauer war“. „Schon die Nominierung ist eine Ehre“, gibt sich Dittrich bescheiden. „Und wenn man gewinnt, ist die Ehre um so größer.“

„Deutschland 83“-Star Jonas Nay mit seinem Grimme-Award.
„Deutschland 83“-Star Jonas Nay mit seinem Grimme-Award. © Getty Images

Auch Jonas Nay, der für „Deutschland ‘83“ seinen mittlerweile zweiten Grimme bekam, freut sich auf einen großartigen Abend. Auch weil die RTL-Serie nur eine von mehreren deutschen Serien ist, die die Jury ehrte. Weinberg, Weissensee – selten zuvor war serielles Fernsehen aus Deutschland so preiswürdig.

Ja, fast ist es wie auf einem Familientreffen. Die meisten der Geehrten haben bereits im Februar den Deutschen Fernsehpreis abgeräumt, wenig später auch die Goldene Kamera. „Glückwunsch!“ ruft Nay den jungen Darstellern aus der Krankenhausserie „Club der Roten Bänder“ hinterher, die ähnlich wie „Deutschland ‘83“ überall siegte, wo sie nominiert war. „Man kennt sich“, sagt Nay. Und zwischen Streuselkuchen und Cremesuppe verrät er, dass er auf die Fortsetzung „Deutschland ‘86“ hofft, obwohl die Einschaltquote nicht besonders gut war. „Aber solchen Serien kann man mit der herkömmlichen Quotenmessung nicht gerecht werden. Ich scharre schon mit den Hufen.“

Grimme-Direktorin nimmt Böhmermann in Schutz

Ulrike Franke und Michael Loeken aus Witten sieht man an, dass sie lieber hinter als vor der Kamera stehen, um Fragen der Kollegen zu beantworten. „Stimmt“, sagt die gebürtige Dortmunderin Franke und lacht. Mehrere Jahre hat das Paar in seiner Langzeit-Doku „Göttliche Lage“ den Wandel im Stadtteil Dortmund-Hörde verfolgt. „Der Grimme-Preis“, sagen sie, „ist jetzt wie eine Motivationsspritze.“

Am späten Nachmittag hat sich der Saal geleert, die Preisträger ziehen sich um. Gelegenheit für Frauke Gerlach, Direktorin des Grimme-Instituts, Böhmermann in Schutz zu nehmen. „Wir haben zu Recht ein Grundgesetz, das die Meinungsfreiheit, die Pressefreiheit und die Kunstfreiheit schützt“, sagt sie und würde sich freuen, wenn „die ganze Debatte wieder versachlicht würde.“

Dann beginnt die Gala. Und in Abwesenheit bekommt Böhmermann nicht nur seinen Grimme-Preis sondern auch die „Besondere Ehrung des Volkshochverbandes“. Sie geht traditionell an eine Person, die sich in besonderer Weise um das Fernsehen verdient gemacht hat. Gefallen ist die Entscheidung für 2016 allerdings schon im November.