Berlin. Die Kölner Silvester-Übergriffe beschäftigen auch die Maischberger-Runde. Kriminologe Christian Pfeiffer glaubt, die Ursache zu kennen.

Seit bekannt wurde, was tatsächlich in der Silvesternacht in Köln geschah, diskutiert Deutschland über sexuelle Gewalt an Frauen und welche Konsequenzen man daraus ziehen soll. Die Debatte ist hochemotional, rufen die Ereignisse doch gleichzeitig Wut, Bestürzung, und ja, auch Angst hervor. Doch wie viel ist berechtigte Sorge und was gefährliche Hysterie?, fragte Sandra Maischberger in ihrer ersten Talkshow am neuen ARD-Sendeplatz.

„Angstrepublik Deutschland“ lautete denn auch das Thema der frisch mit dem Deutschen Fernsehpreis ausgezeichneten Sendung, in der von nun an mittwochs statt dienstags diskutiert wird. Und noch etwas ist neu: Statt „Menschen bei Maischberger“ heißt die Sendung nur noch schlicht „Maischberger“. Menschen waren aber dennoch zu Gast. Die wichtigsten Fragen und Antworten zur Sendung.

Weicht die Willkommenskultur jetzt der Fremdenfeindlichkeit?

Seit bekannt geworden ist, dass viele der Täter von Köln aus dem arabischen Raum stammen, sehen sich einige Deutsche bestätigt: Die Übergriffe sind in ihren Augen eine direkte Folge von Angela Merkels Flüchtlingspolitik. „Das Fanal in Köln trifft ins Herz der Willkommenskultur“, sagt „Emma“-Redakteurin Chantal Louis, dabei sei gerade die problematisch für den Islamischen Staat (IS). Denn sie widerlege, was dieser propagiert: dass der Westen allen Muslimen feindlich gegenüberstehe.

Dass die Fremdenfeindlichkeit derzeit wieder Auftrieb bekommt, bestätigt Aiman Mazyek, Vorsitzender des Zentralrats der Muslime: „Wir werden aktuell mit so vielen Hassmails, -briefen und -telefonaten konfrontiert. Wir mussten zwischenzeitlich sogar unser Gebäude räumen und die Polizei rufen.“ Solche Entwicklungen sieht Volker Beck, Innenpolitischer Sprecher der Grünen, mit Sorge: „Wir dürfen jetzt zwei Fehler nicht machen“, meint er: „Wir dürfen nicht pauschalisieren, uns aber auch nichts bei der Wahrheit schenken.“

Haben wir bisher die Augen vor den Problemen verschlossen?

CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer würde wohl sagen: ja. Die jüngst beschlossene Verschärfung zur Ausweisung krimineller Ausländer geht ihm nicht weit genug. „Wer straffällig geworden ist, muss schnellstens abgeschoben werden“, sagt er, worauf Beck einwirft, dass man niemanden abschieben könne, dem in seinem Heimatland Folter oder Tod drohe. „Die entscheidende Frage ist doch: Weiß man, wer die Täter sind? Kommen sie vor Gericht?“

Die Praxis zeige, so der Grünen-Politiker weiter, dass dem oft nicht so ist, daher sei es wichtiger, die Polizei- und Integrationsarbeit zu verbessern. Doch Scheuer ist noch nicht fertig. „Wir müssen offen über den Islam reden“, sagt er. Der Großteil der Asylsuchenden komme aus Kulturräumen mit einem anderen Bild der Geschlechter, einem, in dem sie das Sagen haben.

Ist also die Machokultur der Grund für die Übergriffe?

Ja, meint Kriminologe Christian Pfeiffer. Der ehemalige Direktor des Kriminologischen Forschungsinstituts Niedersachsen erkennt in den Silvester-Übergriffen eine Reaktion auf die persönliche Ohnmacht, die die jungen Männer in Deutschland empfinden – im Gegensatz zur Macht, die ihnen in ihrer Heimat zugeschrieben werde. „Unbegleitete Frauen gelten bei ihnen als unrein und sind damit so etwas wie Freiwild“, sagt Pfeiffer.

Zentralrats-Chef Mazyek wendet ein, dass die Übergriffe auch im Islam keine Rechtstreue darstellen: „In vielen arabischen Ländern wird es schwer geahndet, Frauen anzufassen.“ Die große Mehrheit der Muslime schäme sich abgrundtief für die Ereignisse. „Offenbar meinen die jungen Männer, sie könnten hier machen, was ihnen zu Hause nicht erlaubt ist“, glaubt Mazyek, räumt aber auch ein: „Natürlich gibt es zum Teil auch antiquierte kulturelle Vorstellungen.“

Was also tun, damit Integration gelingt?

Nicht nur die ureingeborenen Deutschen machen sich Gedanken über die Silvester-Vorfälle. Auch Zugewanderte melden sich zu Wort, wie der Essener Serge Menga, der bereits vor einigen Tagen mit seiner Wutrede gegen kriminelle Ausländer auf Facebook für Aufsehen sorgte. Nach dem Einspieler des Videos sagt Grünen-Politiker Beck: „Solchen Leuten müssen wir eine Stimme geben, sie stark machen und als Integratoren nutzen.“

Dass es durchaus gelingen kann mit der Integration, verdeutlicht Kriminologe Pfeiffer mit einer Studie unter türkischstämmigen Jugendlichen, die von 1998 bis 2013 zu ihrem Männerbild befragt wurden. Gaben 1998 nach rund 40 Prozent der Befragten an, dass Männer den Frauen übergeordnet sind, waren es 2013 nur noch zehn Prozent. Auch die Gewaltrate sei von 32 auf 12 Prozent gesunken. „Da hat Integration funktioniert“, so Pfeiffer.