Berlin. Der Flüchtlingsgipfel hat neue Fakten geschaffen. die Debatte bei Maybrit Illner danach verläuft bemerkenswert harmonisch - nur einer der Gäste warnt.

Kanzlerin Angela Merkel hatte die Steilvorlage für die Debatte geliefert. Kurz vor dem Talk bei Maybrit Illner verkündete sie die Ergebnisse des mehrstündigen Flüchtlingsgipfels: Bund und Länder hätten sich in der Krise auf eine Kostenverteilung und ein umfangreiches Paket an Gesetzesänderungen geeinigt.

Genauer: Der Bund zahlt pro Flüchtling eine "Kopfpauschale" von 670 Euro, insgesamt dürften das im nächsten Jahr rund 4,1, Milliarden Euro sein. Außerdem 500 Millionen Euro für sozialen Wohnungsbau. "Reicht mehr Geld als Antwort auf die Herausforderungen?", moderierte Maybrit Illner die Sendung an.

Die ersten vier Gäste nickten das brav ab und lobten die Ergebnisse des Gipfels, nicht nur Innenminister Thomas de Maizière (CDU): Ebenso Malu Dreyer (SPD), Ministerpräsidentin von Rheinland-Pfalz, der Tübinger Oberbürgermeister Boris Palmer (Grüne) und Aiman Mazyek, der Vorsitzende des Zentralrats der Muslime.

Pro-Asyl-Chef stört die Harmonie

Die Harmonie störte Günter Burkhardt, Geschäftsführer von Pro Asyl. Er übersprang dabei die Frage, und war schon ganz woanders. "Warum lassen Sie die Leute nicht früher aus den Unterkünften ausziehen?" De Maizière bügelte den Vorwurf ab, indem er trocken die Verwaltungswege der Unterbringung erläuterte.

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Bereichernd für die Sendung war Tübingens Oberbürgermeister Boris Palmer (Grüne), der in den vergangenen Tagen viele Parteifreunde vor den Kopf gestoßen hatte. Vor dem Flüchtlingsgipfel in Berlin positionierte er sich als Real-Politiker. Er sprach sich für mehr sicherere Herkunftsländer aus, die Abschiebungen erleichtern, aus und dafür, die Priorität zu Gunsten der Kriegsflüchtlinge zu setzen.

"Wir haben die Kontrolle verloren"

Anders käme seine Verwaltung bei der Unterbringung nicht hinterher. "Wenn es so weitergeht wie bisher, dann bleibt mir nichts anderes übrig als Trabantenstädte zu bauen", so der OB. "Wir haben die Kontrolle weitgehend verloren." Er vermittelte ein gutes Bild davon, welche Lasten kommunale Politiker tragen. In allen Nuancen: Es sei gut, wenn die Flüchtlinge aus dem Balkan in den Erstaufnahmestellen blieben und nicht in die Kommunen vermittelt werden. "Es gibt Dramen in den Städten, das kann man sich nicht vorstellen. Es gibt Lichterketten von Schulklassen, wenn es Abschiebungen geben soll."

Auf dem Flüchtlingsgipfel hatten sich Bund und Länder auf Änderungen im Asylrecht verständigt. Auch die Westbalkan-Länder Albanien, Kosovo und Montenegro sollen als "sichere Herkunftsländer" eingestuft werden. Und: Geldleistungen für Asylbewerber sollen künftig nur noch einen Monat im Voraus bezahlt werden. In Erstaufnahmeeinrichtungen sollen Flüchtlinge möglichst nur noch Sachleistungen erhalten.

Gefahr der Radikalisierung

Aiman Mazyek vom Zentralrat der Muslime warnte indes vor einem schwelendem Populismus. "Ich habe die Befürchtung, dass einige Leute unsere wichtigen Werte zerreden und eine Angst-Debatte führen", sagte er. Damit meinte er freilich niemanden der Gäste aus der Runde. Im Grundsätzlichen, der Kostenverteilung und den Gesetzesänderungen, herrschte Einmütigkeit. Zu den Neuerungen zählt auch, dass der Bund 500 Millionen Euro für den sozialen Wohnungsbau bereit sowie 350 Millionen Euro für die Betreuung unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge.

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Beschleunigung der Asylverfahren, dauerhafte Entlastung der Kommunen, Integrations- und Sprachkurse: Bei Vertretern der CDU, SPD oder der Grünen herrschte bemerkenswerte Eintracht. Und so hatte der Zuschauer mit einer streckenweise müden Sendung zu kämpfen, in der sich alle nach dem Flüchtlingsgipfel ein wenig auf die Schulter klopften.

Eine Einspielsequenz der Redaktion rückte die Gefahr der Radikalisierung von Flüchtlingen in den Blick: Die Bilder zeigten Salafisten in Wuppertal, die Klamotten für Asylbewerber sammeln in der Absicht, sie anzuwerben. Die Gäste waren sich im harten Durchgreifen gegen rechten wie religiös-motivierten Terrorismus einig. "Mit Klatschen am Bahnhof ist es nicht getan", sagte Innenminister de Maizière. Und dann zitierte er noch eine Rede von Ex-Bundespräsident Johannes Rau, in der es ebenfalls um das Zusammenleben von Deutschen und Zugezogenen ging: Man müsse sich an die Arbeit machen, und zwar "ohne Angst und Träumereien". Aus der Runde kam kein Widerwort. (dpa)