New York. Das Fernsehen der Zukunft soll mobil und flexibel sein, am besten immer und überall verfügbar. Online-Videodienste wie Netflix machen vor, wie es geht. Die großen US-Kabelkonzerne stemmten sich lange gegen den Trend - aber nun kommt endlich Bewegung in den Markt.
Mit selbstproduzierten Serienhits wie "House of Cards" hat der Online-Videodienst Netflix die Fernsehwelt im Sturm erobert. Der Siegeszug der Firma aus dem kalifornischen Los Gatos schreckt die US-Unterhaltungsbranche auf.
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Die als schwerfällig geltenden und oft für schlechten Kundenservice kritisierten Kabelriesen rühren sich. Nach der gescheiterten Fusion von Comcast und Time Warner Cable (TWC) will nun Medienmogul John Malone mit Charter Communications angreifen.
Fernsehen als gemütliches Gruppenerlebnis mit Lagerfeuercharakter gilt vielen Experten als Auslaufmodell - in Deutschland wird das Ende von "Wetten, Dass..?" als ein Zeichen dafür gesehen, auch wenn die Sender starke Zahlen einfahren.
Der Trend heißt TV überall: Die gefragte Zielgruppe versammelt sich nicht mehr mit der Familie vor der Flimmerkiste, sondern guckt Videos unterwegs, zum Beispiel bei Youtube. Fernsehen soll mobil und "on demand" sein, den Menschen auf Smartphones, Tablets oder Laptops überall folgen.
Netflix hat mittlerweile mehr als 65 Millionen Kunden
Wie es geht, zeigen Online-Videodienste wie Netflix, Hulu, HBO Now, Amazon Prime oder etwa Maxdome in Deutschland. Das Modell ist simpel: Gegen eine monatliche Abogebühr gibt es Zugang zu jeder Menge Serien und Filmen. Besonders Netflix, das mittlerweile in mehr als 50 Ländern vertreten ist und über 65 Millionen Kunden hat, hat damit Erfolg.
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In den USA mischt das Internet die TV-Branche auf. Um das Geschäft mit Online-Videos und -Werbung auszubauen, kaufte beispielsweise der Mobilfunkriese Verizon zuletzt für 4,4 Milliarden Dollar den Internetdino AOL.
Wer bislang nicht in die Gänge kommt, sind die großen Kabelkonzerne. Zunächst sah es so aus, als hätten die Branchenführer - allen voran Comcast und TWC - es gar nicht nötig, sich mit Störenfrieden wie Netflix überhaupt rumzuschlagen.
Sie dominieren den Markt für Bezahlfernsehen ohnehin nach Belieben, in vielen US-Regionen gibt es keine Alternative zu ihnen. Die Leidtragenden sind die Kunden. Pay-TV ist in den USA teurer als in anderen Industrieländern, obwohl der Service als schlecht gilt.
Die Beschwerden darüber sind alt. Relativ neu ist, dass es mit Netflix und Co. Alternativen gibt. Die Streaming-Dienste haben eine ganze Bewegung ausgelöst - ihr Motto ist "Cut the Cord" (zerschneide das Kabel), sie bezieht ihr TV ausschließlich über das Internet.
Online-Video-Markt plant neue Geschäftsmodelle
Allerdings geben Comcast und TWC, zusammen mit Verizon und AT&T, auch hier den Ton an. Weil ihr gemeinsamer Marktanteil im Breitbandgeschäft bei fast 60 Prozent liegen würde, blockierten die US-Kartellwächter erst jüngst eine Fusion von Comcast und TWC.
"Es entsteht ein Online-Video-Markt mit neuen Geschäftsmodellen und größerer Vielfalt für Verbraucher - der geplante Zusammenschluss hätte ein inakzeptables Risiko für Wettbewerb und Innovation dargestellt", heißt es in der Begründung der US-Netzaufsicht FCC.
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Das ist Wasser auf die Mühlen von Netflix-Chef Reed Hastings. Weil sein Videodienst in den USA zu Stoßzeiten fast ein Drittel der Internetbrandbreite in Anspruch nimmt, drängen ihn große Telekomfirmen wie Comcast als "Heavy User" zur Kasse.
Hastings findet, die Netzanbieter sollen sich das Geld lieber bei den Endkunden holen. Die exklusiven Inhalte von Netflix würden helfen, ihnen schnellere und teurere Internetverbindungen zu verkaufen.
Nur kurz nachdem der Deal mit Comcast abgeblasen wurde, schnappte sich Charter Communications, die Nummer Vier der US-Kabelkonzerne, TWC für über 55 Milliarden Dollar (50 Mrd Euro). Winken die Wettbewerbshüter den Deal durch, wäre es einer der größten in der US-Geschichte.
Charter will Netflix die Stirn bieten
Liberty Media, das Firmen-Imperium von US-Unternehmer Malone, das Charter kontrolliert, würde durch den Zukauf mit 46 Millionen Abonnenten zum weltweit größten Breitbandanbieter.
In den USA kämen Charter und TWC auf etwa 30 Prozent Marktanteil bei schnellen Internetverbindungen. Netflix, das gegen die Fusion von Comcast und TWC noch heftig protestiert hatte, unterstützt den Zusammenschluss mit Charter.
Dafür gibt es gute Gründe: Malone hat bereits versprochen, dass Netflix keine höheren Gebühren zu befürchten hat. Ein Kalkül dabei dürfte sein, die TWC-Übernahme bei den Kartellwächtern durchzubringen.
Charter will Netflix aber mit eigenen Online- und Mobilangeboten die Stirn bieten. Comcast kündigte zu Wochenbeginn bereits einen Service für Cord-Cutter in den USA an - der Online-Dienst "Stream" soll bald anlaufen. (dpa)