Wien. . Krassnitzer und Neuhauser waren lange das beste Duo in der deutschsprachigen Krimi-Szene. Doch jetzt geht’s ihnen wie dem neuen Fall “Gier“: Die Spannung fehlt.

Helmut Mader ist am Boden zerstört. Er hat das Liebste verloren: die Liebste. Mit seiner Frau starb auch ihr gemeinsames, ungeborenes Kind. Sie erlagen den Folgen eines Chemie-Unfalls. Der Schutzanzug bot keinen Schutz – ein falsch etikettiertes Ramschprodukt.

Mader so traurig wie wütend: „Meine Roswitha hat sterben müssen, weil die Leute, die eh schon alles haben, nie genug bekommen können.“ Es geht um eine perfide Form der Wirtschaftskriminalität.

Willkommen am "Tatort" in Wien.

"Ernstl" mixt gern dienstliche und private Interessen

Der kritische Blick auf Politik und Gesellschaft ist das Markenzeichen der Krimis aus österreichischen Hauptstadt. Manchmal bewegen sie Publikum und Kritik wie das Frauenhandel-Drama "Angezählt", das voriges Jahr mit einem Grimme-Preis belohnt wurde.

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Manchmal jedoch lassen einen die Filme mit dem Ermittler-Duo Moritz Eisner (Harald Krassnitzer) und Bibi Fellner (Adele Neuhauser) seltsam kalt; in der Episode "Gier" treffen sich Globalisierungsseminar, "Buddenbrook"-Drama und Verhörkrimi.

Dabei fängt der Film spannend an. Der Einstieg lässt ahnen, dass der Kontrollgang in einem Chemie-Werk für Mitarbeiterin Roswitha (Emily Cox) ein böses Ende nehmen wird. Zugleich lassen Regisseur Robert Dornhelm und Drehbuch-Autorin Verena Kurth das süffisante Geplänkel einer Geburtstagsfeier von Eisners Vorgesetztem "Ernstl" (Hubert Kramar) in Entsetzen umkippen: Das Unfallopfer war sein Patenkind.

Wie immer mischen sich bei dem Sektionsleiter aus dem Innenministerium dienstliche und private Interessen zu einer Melange, die dem Ermittler-Duo die Arbeit eher erschwert als erleichtert.

"Tatort"-Kommissare können nur mit Mühe einen Eklat verhindern

Obendrein geht Roswithas Ehemann Helmut (Eugen Knecht) direkt den Unternehmenschef an. Nur mit Mühe können Eisner und Fellner einen Eklat im Chemie-Werk verhindern. Tatsächlich aber hat der Fall nichts mit Arbeitssicherheit, sondern viel mit Gewinnmaximierung in der globalisierten Textilindustrie zu tun.

Um den weithin zähen Krimi nicht vollends zur Einschlafhilfe verkommen zu lassen, suchte Drehbuch-Autorin Kurth den Kitzel psychologisch vertrackter Beziehungen in einem österreichischen Industrie-Clan.

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Während Firmen-Erbe Peter Wendler (sehr kontrolliert: Anian Zollner) für fairen Handel eintritt, verkörpert seine Gattin (heißkalt: Maria Köstlinger) das exakte Gegenteil. Für sie zählen nur Zahlen. Ihre Position in der Firma stärkt sie, in dem sie Geschäft und Liebe verbindet; Geschäftsführer Perschawa (Michael Masula) ist zugleich ihr Liebhaber.

Den störenden Ehemann hat sie per Intrige kurzerhand in die Psychiatrie verfrachten lassen. Doch die Rechnung der knallhart kalkulierenden Zahlen-Frau geht nicht auf. Die scheinbare Siegerin hat das schlechte Spiel verloren; allerdings gibt es am Ende auch keinen Gewinner, weil sich die scheinbare Gerechtigkeit als schlecht geschminkte Rache erweist.

Früher rieben sich Eisner und Fellner im "Tatort" produktiv

Ein schales Gefühl hinterlassen auch die beiden Fahnder. Früher rieben sie sich produktiv; heute sind sie nur noch nett. Das einst aufregendste Duo der deutschsprachigen Krimi-Szene hat an Reiz verloren. Der Zusammenarbeit des Polizei-Melancholikers und der trockenen Alkoholikerin von der Sitte fehlt diesmal dasselbe wie der Geschichte: die Spannung.

Fazit: Die Wiener Melange schmeckt heuer a bisserl fad – und dös ist schad.

Sonntag, 7. Juni, ARD, 20.15 Uhr