Münster. . Der “Tatort“ aus Münster setzt voll auf Comedy. Jan Josef Liefers und Axel Prahl geben in der aktuellen Folge “Erkläre Chimäre“ kräftig Gas.

Der "Tatort Münster" ist der VW Käfer in der erfolgreichsten Krimi-Reihe des deutschen Fernsehens: Er läuft und läuft und läuft, seit 13 Jahren. Das dürfte sich mit "Erkläre Chimäre", dem 27. Fall von Rechtsmediziner Professor Friedrich-Karl Boerne (Jan Josef Liefers) und Kommissar Frank Thiel (Axel Prahl), kaum ändern.

Prof. Boerne (Jan Josef Liefers) untersucht das Mordopfer, dem es in einer alten Schlachterei an den Kragen ging. (Foto: Martin Valentin Menke/WDR)
Prof. Boerne (Jan Josef Liefers) untersucht das Mordopfer, dem es in einer alten Schlachterei an den Kragen ging. (Foto: Martin Valentin Menke/WDR)

Die Erfinder des legendären Fernsehduos, Stefan Cantz und Jan Hinter, legten Regie-Routinier Kaspar Heidelbach und seinem Ensemble ein schrulliges Drehbuch hin, bei dem sie Gas geben dürfen. Der Film hat nur einen kleinen Fehler: Er ist kein Krimi.

Dabei fließt bereits zu Beginn erst Alkohol, dann Blut. Der Tote ist ein junger Brasilianer, der mit uraltem Schampus zu Münsteraner Weinhändlern (Uwe Preuss mit morbide wirkender Film-Gattin Sunnyi Melles) unterwegs war, um ihn gewinnbringend zu verscherbeln.

Tatsächlich dient die Szene dazu, den Fall mit der scheinbaren Rahmenhandlung zu verknüpfen, die sich letztlich als Hauptgeschichte entpuppt: Boerne spielt seinem bekennend homosexuellen Patenonkel (Christian Kohlund) vor, mit seinem Lieblingsfeind Thiel verheiratet zu sein, um sich im Hinblick auf den Erb-Fall lieb Kind beim Lebemann aus Florida zu machen. Konflikte einer Verwechslungskomödie, die auf Lug, Trug und deren Enttarnung beruht, sind programmiert.

"Tatort"-Kommissare spielen offensiv Homosexualität vor

Während Homosexualität in der TV-Unterhaltung bisher eher versteckt wurde, drehen die Drehbuch-Autoren Cantz und Hinter das Spiel kurzerhand um: Ihre Krimi-Helden spielen ihrem Gast offensiv Homosexualität vor.

Dabei erliegen Thiel und Boerne Gott sei Dank nicht der Versuchung, tot geglaubte Tunten-Klischees wiederzubeleben. Vielmehr erinnert ihr hassliebendes Gezänk nicht nur den Erbonkel aus Amerika an Szenen einer Ehe.

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Auch Staatsanwältin Klemm (Mechthild Großmann) kann sich, nachdem der Ring-Schwindel längst aufgeflogen ist, eine boshafte Bemerkung über die Männerwirtschaft der Hausgenossen Boerne und Thiel nicht verkneifen.

Apropos Staatsanwältin: Die Münster-Krimis sind unter anderem deshalb so erfolgreich, weil sie regelmäßig so viele Figuren bedienen, dass fast jeder Zuschauer jemanden aus dem Ensemble mag. Die Staatsanwältin, Gegenspielerin von Boerne und Thiel, lässt sich beispielsweise im Krankenhaus wegen einer vorgeblichen „Frauengeschichte“ behandeln – auch das erweist sich als charmanter Schwindel.

Überhaupt geht es in der Krimi-Komödie auffallend intensiv ums Kranksein. Thiel verschluckt sich derart übel, dass Boerne ihn nur durch einen Luftröhrenschnitt retten kann. Es versteht sich beinahe von selbst, dass der peinlich hochnäsige Doktor den Ermittler fortwährend zu Dankbarkeit dafür nötigt.

"Tatort" aus Münster kippt ins wuselige Wirrwarr

Thiels frisch beförderte Kollegin Nadeshda Krusenstern (Friederike Kempter) wiederum muss ihren Einsatz bei der Verfolgung eines drogensüchtigen Verdächtigen, Weinhändler-Sohn Tom (François Goeske) mit einer geknickten Nase bezahlen.

TatortDer schillernde Krankenhaus-Arzt Jehle (Matthias Redlhammer) dagegen führt Boerne und Thiel letztlich wieder zur Krimi-Handlung zurück. Er engagiert sich für eine Kinderhilfsorganisation, die auch in Brasilien wirkte.

Wer’s war, wird schließend überraschend präsentiert. Die Erklärung dafür wird langatmig nachgereicht. Kein Wunder, der Münster-Krimi hat inzwischen die Grenze erreicht, wo vielschichtige Raffinesse in wuseliges Wirrwarr umzukippen droht – auf Kosten des Falls.

Fazit: Komödie top, Krimi flop. Ein Stern geht an das perfekt eingespielte Ensemble.

Sonntag, 31, Mai, ARD, 20.15 Uhr

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