Berlin. . Theater-Stars wie Mark Waschke und Meret Becker zeigen, wie sie selbst eine mittelmäßige Vorlage zu Glanzauftritten nutzen können. Das macht Lust auf mehr.

Ein neues Fahnder-Duo mischt den „Tatort“ Berlin auf. Mark Waschke und Meret Becker fangen da an, wo die Dominic Grafs Edelserie „Im Angesicht des Verbrechens“ aufhörte: bei der organisierten Drogen-Kriminalität. Beim Premierenkrimi „Das Muli“ wirkt Manches vertraut. Dennoch machen Waschke und Becker Lust auf mehr. Die beiden Theater-Stars zeigen, wie Asse selbst mittelmäßige Vorlagen zu Glanzauftritten nutzen können.

Allerdings sei zur Ehrenrettung von Regisseur Stephan Wagner und Drehbuch-Autor Stefan Kolditz („Unsere Mütter, unsere Väter“) gesagt: Abgesehen von Schimanskis Rohe-Eier-Nummer und Fabers Waschbecken-Beserkerei wurden Ermittler selten so markant eingeführt wie die neuen Berliner.

Kurzerhand pfeffert er Kugelschreiber an die Tür

Arzt-Sohn Waschke, 43, geboren in Wattenscheid, aufgewachsen im Saarland, unterläuft gutes Aussehen und feine Manieren lustvoll mit fiesem Charme. Dafür schrieb ihm Kolditz eine grandiose Szene auf den Leib. Waschke ist als Ex-Drogenfahnder der Neue im Revier. Mit sichtlichem Interesse mustert er eine Praktikantin (Grimme-Preisträgerin Carolyn Grenzkow) durch die Glasscheibe des Büros seiner Kollegin Nina Rubin (Meret Becker). Um auf sich aufmerksam zu machen, pfeffert Karow kurzerhand Kugelschreiber an die Tür. Die Praktikantin trabt pflichtschuldig zu ihm. Karow verlangt von ihr Kaffee – und sie lässt ihn abblitzen.

TatortMit eiskalter Säuselstimme saut der Macho das Mädchen ab und verdonnert es zu einer schier unlösbaren Aufgabe. Kollegin Rubin erzählt er, die Hospitantin sei gegangen: Migräne. Kurzum: Karow entpuppt sich in dieser Miniatur – sorry, sensible Leserin, ‘tschuldigung, feinsinniger Leser – als sanftes Arschloch im Anzug. Wenig überraschend gibt es bald Hinweise auf finstere Verfehlungen.

Und Meret Becker? Auch der 46-jährigen Tochter der verstorbenen Schauspiel-Legende Otto Sander gönnt Autor Kolditz einen fulminanten Einstieg als Nina Rubin. Gleich zu Beginn bedient er Beckers Image als ewig junge Wilde – als rollige Katze auf der kalten Blechtonne. Ihre Disco-Nacht endet gleich zu Beginn des Films mit schnellem Sex in kalter Herbstluft. Als die Mutter zweier Jungs nach Hause kommt, ist es mit dem Familien-Frieden vorbei. Der Gatte meint nur „Du stinkst“ und zieht aus. Doch Beckers Figur steckt Tiefschläge weg – privat wie beruflich. Rubin – Lederjacke, schwarze Jeans, leicht verlebt – wirkt straßenerprobt, ja abgezockt. Sie begegnet Karow auf Augenhöhe, misstraut ihm jedoch, recherchiert seinen Weg im Polizeidienst.

Der Name Nina Rubin besitzt programmatische Bedeutung

Der Name von Beckers Figur ist übrigens Programm. Er steht für einen jüdischen Hintergrund. Dieses Thema wird im ersten Fall allerdings nicht ausgespielt.

Der Fall selbst beginnt mit einem Mord ohne Leiche. Bald stellt sich heraus, dass eine Frau auf unappetitliche Weise ums Leben gekommen ist. Sie gehört zur „Muli“-Szene. Das sind Menschen, die sich gegen Exotik-Urlaub und Extra-Geld als Drogen-Kuriere mit hohem Risiko einsetzen lassen. Oft – das deutet der Krimi an – sind es haltlose junge Menschen, die Gier und Lust auf Gefahr treibt.

Mag der Fall selbst konventionell sein, die zuweilen extrem tiefenscharfen Bilder von Kameramann Thomas Benesch sind es nicht. Sie haben Kino-Qualität. Vor allem die Nachtszenen mit hartem Kontrast von Schwarz und Neonfarben strahlen kalte Faszination aus. Mit reichlich Selbstironie lässt der verantwortliche ARD-Sender RBB den Krimi auf Berlins Anti-Attraktion endet: dem neuen Flughafen.

Fazit: Guter Einstieg eines starken Teams.