Mainz. . Das ZDF setzt am Freitag einen neuen Krimi-Standard. „Schuld“ nach der Vorlage von Ferdinand Schirarch ist erfrischend anders als der Durchschnitt.
Wenn es dem deutschen Fernsehen an etwas nicht mangelt, dann sind es Krimireihen. Fast alle, ganz jenseits des dauerbrennenden Tatorts, ob so flach wie „Mordkommission Istanbul“, so spröde wie „Inspektor Barnaby“ oder so vielschichtig wie nahezu alles, was die Skandinavier produzieren, finden ihr Publikum. Wohl dem, der in diesem Überangebot noch eine beachtenswerte Nische findet. Produzent Oliver Berben ist das fürs ZDF mit einer Serie aus sechs 45-Minütern gelungen, deren Reiz schon darin besteht, dass die Geschichten von Ferdinand von Schirach stammen, der Strafrecht und Literatur in seinen Büchern auf kongeniale Weise verheiratet hat.
Moral, Justiz und Gerechtigkeit
„Schuld“ fahndet, anders als es der Titel vermuten lässt, weniger nach den Schuldigen, sondern testet vielmehr unser Rechtsempfinden samt seiner Grenzen und zwingt uns in einen Diskurs über Moral, Gerechtigkeit und Justiz. Wer ist Täter, wer ist Opfer, was treibt uns im Leben, wie konnte es so weit kommen? Berbens versierte Regisseure Hannu Salonen und Maris Pfeiffer werten nicht, sondern beobachten nur und bleiben damit stets der Linie von Schirach treu: Das Urteil muss der Betrachter fällen. Das ist spannender und nachhaltiger als der Fernsehstandard im Umgang mit den menschlichen Abgründen.
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Moritz Bleibtreu spielt zwar in allen Folgen mit sympathischer Sachlichkeit den Strafverteidiger Friedrich Kronenberg, aber schon in der Auftaktfolge „Der Andere“ wird klar, dass er nur den rechtlichen Rahmen steckt, zuweilen sogar ein Stückchen Volkshochschule in Sachen Strafrecht anbietet. Was manchmal etwas aufgesetzt daherkommt, angesichts der öffentlich doch unterentwickelten Kenntnisse aber durchaus hilft. „Schuld“ interessiert sich stärker für die Schicksale und Entwicklungen von Menschen, die sich plötzlich unerwartet in Grenzbereichen befinden. Und für die merkwürdigen, manchmal unglaublichen Zufälle, die sie dahin geführt haben.
Glänzende Schauspieler
Berben hat dafür glänzendes Personal rekrutiert, im ersten Fall sind es Devid Striesow und Bibiana Beglau als reiches, etwas saturiertes Pärchen in den Vierzigern auf der Suche nach dem speziellen sexuellen Kick. Sie schläft mit Callboys im Hotel, er setzt sich dazu und filmt sie dabei. Während er es vor allem für sie tut, kann sie plötzlich nicht mehr davon lassen, wird geradezu süchtig. Als eines ihrer Dates nun ausgerechnet ein alter Schulkamerad (Matthias Matschke) ihres Mannes ist, ein lärmiger Aufreißer, der diesen auch noch erkennt und lächerlich macht, gerät das Spielchen aus den Fugen.
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Maris Pfeiffer zeichnet die Zuspitzung in einer Ruhe, die man einem 45-Minüter, der doch sonst eher alles verdichten will, gar nicht zutrauen würde. Striesow und Beglau sind viel komplexer als das gelangweilte Luxuspaar aus dem Klischeekatalog und blättern in der kurzen Zeit und in klug gesetzten Dialogen ihre Facetten auf. Das alles macht Lust auf mehr.
Fazit: Vielversprechender Auftakt einer intelligenten Krimireihe, die den Betrachter zwingt, Position zu beziehen.
ZDF, Freitag, 20. Februar, 21.15 Uhr