Duisburg. Silvia Kaffke hat einen historischen Kriminalroman geschrieben, der in ihrem eigenen Stadtteil spielt: Duisburg-Ruhrort ist Schauplatz von "Das rote Licht des Mondes".
Manchmal scheint es, als halte Silvia Kaffke die große Kaffeetasse wie einen Schutzschild in beiden Händen, um nicht zu viel von ihren Fantasien zu offenbaren. Dabei hat sie ihrer Fantasie doch schon freien Lauf gelassen. „Ich habe immer schon gerne Geschichten erfunden”, sagt die 46-Jährige leichthin.
So hat sie sich manchmal in eine andere Welt versetzt. Bei ihrem letzten Roman ist sie in ihrer Welt geblieben. Sie hat nur die Zeit gewechselt. „Das rote Licht des Mondes”, ihr fünftes Buch, spielt in ihrem Wohnort Duisburg-Ruhrort, der damals noch auf den Zusatz „Duisburg” verzichten konnte. Damals, denn es spielt nicht jetzt, in Zeiten der Rezession und Arbeitslosigkeit, sondern in einer Epoche, die wir heute mit Spätbiedermeier umschreiben: kurz nach der 1848-Neuorientierung, die manch einer heute „Revolution” nennt.
Sprung durch die Zeiten wird zur Leselust
Silvia Kaffke hat in diese Zeit, in der ein aufbrechendes Ruhrort – mit einem Unternehmer wie Franz Haniel, mit einem Bürgermeister namens Weinhagen, nach dem zwar eine Straße in Ruhrort benannt ist, von dem es aber kein Bild gibt – einen Kriminalroman hineingepflanzt, der so bündig, spannend und dicht ist, dass der Sprung durch die Zeiten zur Leselust wird. Kaffke schafft Atmosphäre, die sie nicht kennen kann, die aber ganz schnell vorhanden ist. Und die Lust macht.
Die Rolle der Frau ist 1850, als Ruhrort 3702 Einwohner hat, ganz anders definiert als heute. Eine unverheiratete Frau über 30 aus gutem Haus war damals zwangsläufig eine „Alte Jungfer”. Und damit auch schon fast wieder so etwas wie eine Leibeigene der eigenen Familie, nicht rechtlos, aber in der Sozial-Hierachie auf den hinteren Rängen.
Die Heldin emanzipiert sich
Silvia Kaffkes Heldin Carolina Kaufmeister bricht aus dieser Rolle aus. Eine zwar körperbehinderte, aber ungeheuer selbstständige Frau, die sich von ihrer Familie loslöst. Und als Schneiderin arbeitet. Zunächst kritisch beäugt, dann zunehmend akzeptiert, wird sie schließlich doch wieder ein Teil der „Gesellschaft”. Diese Carolina steckt in einem Kriminalfall, der ihr Angst, der sie aber auch mutig macht.
Die Geschichte, die Silvia Kaffke über 150 Jahre hinweg transformiert, ist glaubwürdig, weil Hafen, Milieu, Bürgertum, Mief und Aufbruch gleichermaßen integriert sind. Wo kommen die Ideen her? Kaffke, im „normalen Leben” Sekretärin, erzählt: „Ich habe in Archiven gesucht, habe hinter jede Ecke geschaut, habe recherchiert.”
Für das Buch hat sie ein Sozialgemälde der besonderen Art erzeugt. Es gibt Figuren, die sich verselbstständigt haben, weil die Autorin bisweilen von ihrer eigenen Fantasie überrascht wird. Wirkt sich diese Überrumplung des Kopfes wenigstens auf dem Konto aus? „Ach, was! Die Steuererklärung ist komplizierter geworden. Mehr nicht.”
Silvia Kaffke stammt aus Duisburg-Meiderich, sie wohnt in Duisburg-Ruhrort. Das ist – auf Fußball übertragen – so, wie von Schalke nach Dortmund zu ziehen. Kaffke sagt, dass Ruhrort ihr Stadtteil sei. Der schönste in Duisburg.
Autogramme am Werkstor
Sie hat ihm eine neue Facette gegeben. Die historische. Ein paarmal war sie schon an der Pforte der Firma Haniel, die heute noch in Ruhrort eine bauliche und optische Dominanz ausübt. Um signierte „Rote Monde” abzuliefern.
„Nein, sonst hat die Familie Haniel noch keinen Kontakt zu mir aufgenommen.” Kommt vielleicht noch. Einen zweiten Teil des „Mondes” hat Kaffke im Kopf. Und der Verlag ist interessiert an dieser Zeitenwanderung. Eine Frau, mitten im Leben, steigt aus ihrer Zeit aus und lässt mitträumen. Mitfiebern. Krimi lange vor Schimanski. Passt zur Kulturhauptstadt 2010.