Bochum. . Mit Essen spielt man nicht? Dann darf man vielleicht dazu tanzen? Im Endspurt der Ruhrtriennale wagt der Choreograf Boris Charmatz den Spagat, gewissermaßen Speise und Spitze zu verbinden. Eine Delikatesse ist dabei nicht unbedingt entstanden, wie die Premiere in der Jahrhunderthalle Bochum zeigte.

Ernährung und Tanzkunst stehen sich nicht immer freundlich gegenüber. Essen bedeutet Gewicht, während des Tanzes verbietet sich jede Nahrungsaufnahme und als künstlerisches Programm gibt Kauen erst recht nichts her. Und wenn sich ein so kompromissloser Hardliner wie der französische Choreograf Boris Charmatz mit seiner Compagnie „Musée de la danse“ diesem sperrigen Thema widmet, darf man keine Delikatessen erwarten. Und in dieser Hinsicht wurde man von Charmatz’ neuem Tanzstück, „manger“ („essen“), das jetzt im Rahmen der Ruhrtriennale in der Bochumer Jahrhunderthalle uraufgeführt wurde, nicht enttäuscht.

„Großes Fressen“ der anderen Art

Auf der leeren, schmucklosen Spielfläche versammeln sich 14 beliebig gekleidete Tänzer, heben Papierblätter auf, beschnuppern und belecken sie – bevor sie das Esspapier verschlingen. Teils genüsslich, teils gierig, einige drohen an den Schnipseln zu ersticken, andere winden sich in Bauchkrämpfen. Keine appetitliche Sache, dieses „Große Fressen“ der anderen Art, bei dem die Tänzer nach einiger Zeit zu singen beginnen. Teils schrill, teils dunkel getönt. Fetzen aus Rocksongs, aber auch Antikes wie eine spätmittelalterliche Motette Josquins, klassische Ohrwürmer bis hin zu Beethovens 7. Symphonie und Modernes wie Ligetis „Lux aeterna“ pressen die Sänger aus ihren Kehlen.

Jede Faser der Körper vibriert

Das Ensemble drückt die unterschiedlichen körperlichen Reaktionen auf die Nahrungsaufnahme mit archaischer Wucht aus, jede Faser der Körper vibriert, streckt oder verbiegt sich. Ein surreales Kaleidoskop scheinbar außer Kontrolle geratener Körper entfaltet sich, wobei sich das Bewegungsreservoir recht schnell erschöpft, so dass sich in die Kreation, die mit einer Spieldauer von einer Stunde recht kurz ist, dennoch Längen einschleichen.

Eine Präsentation für ein aufgeschlossenes Publikum, das heftig, aber recht knapp applaudierte.