Venedig.
Festival-Chef Bei den großen internationalen Filmfestivals haben es Beiträge aus Deutschland nicht immer leicht. Vor allem bei den Festspielen in Cannes gibt es immer wieder Jahrgänge ohne einen einzigen deutschen Filmemacher im Wettbewerb. Das Festival in Venedig scheint da anders – wie sich in diesem Jahr erneut zeigt. Denn die deutschsprachige Beteiligung könnte bei den 71. Filmfestspielen mit die stärksten Akzente setzen, vielleicht sogar für so manch hitzige Diskussion sorgen. Vor allem durch den in Hamburg lebenden Regisseur Fatih Akin: Der schickt mit „The Cut“ einen Film um die Verfolgung und Vertreibung von Hunderttausenden Armeniern ins Rennen um den Goldenen Löwen.
Kommenden Mittwoch startet das älteste Filmfestival der Welt aber erst einmal mit einem deutlich leichteren Werk: Der Mexikaner Alejandro González Iñárritu fokussiert in „Birdman (Or the Unexpected Virtue of Ignorance)“, seiner ersten Komödie, auf Befindlichkeiten und Intrigen im Schauspieler-Milieu - äußerst prominent besetzt mit Michael Keaton, Zach Galifianakis, Edward Norton, Emma Stone und Naomi Watts.
Auch in den folgenden Festivaltagen könnte es voll werden auf dem roten Teppich der Lagunenstadt: Für die Gala-Premieren an den Abenden werden zahlreiche weitere Stars erwartet, darunter Al Pacino, Jennifer Aniston, Bill Murray, Ben Kingsley, Ethan Hawke und die französische Grande Dame Catherine Deneuve mit ihrer Tochter Chiara Mastroianni.
Ähnlich facettenreich wirkt das Programm des Wettbewerbs mit insgesamt 20 Filmen in der Konkurrenz. Die deutsche Ko-Produktion „A Pigeon Sat on a Branch Reflecting on Existence“ des Schweden Roy Andersson etwa nimmt die Erzählperspektive eines Vogels ein, der russische Beitrag „The Postman’s White Nights“ beleuchtet mit Laiendarstellern das einsame Leben auf dem Land, während Abel Ferrara das Bio-Pic „Pasolini“ zeigt. Darin verkörpert Willem Dafoe den italienischen Ausnahmeregisseur Pier Paolo Pasolini kurz vor dessen mysteriösem Tod.
Auffällig sind bei dem neben Cannes und Berlin wichtigsten Filmfest aber auch die vielen Beiträge mit politischen und gesellschaftskritischen Themen. So spielt das Drama „Loin des hommes“ mit „Herr der Ringe“-Star Viggo Mortensen zur Zeit des Algerienkrieges, Ethan Hawke gibt in „Good Kill“ einen an seinem Job zweifelnden Dronen-Experten und der US-Regisseur Ramin Bahrani beobachtet in „99 Homes“ eine Familie, die ihr Haus wegen Immobilien-Spekulationen verliert.
Festivals seien heutzutage einige der wenigen Orte, in denen nicht der Profit der Filme im Vordergrund stehe, erklärte Festivalleiter Alberto Barbera im Vorfeld. Filmfeste seien „nicht nur eine Momentaufnahme der Gegenwart, sondern (haben) die Kapazität, Dinge in einem anderen Licht zu sehen, das wahrzunehmen, was manchmal unsichtbar oder unklar bleibt“.
Dazu passt wohl auch der Beitrag von Fatih Akin. Der beendet mit „The Cut“ nicht nur seine Trilogie um Liebe, Tod und Teufel. Das mit Spannung erwartete Drama könnte vor allem in der Türkei für Kontroversen sorgen. Immerhin geht der Filmemacher in „The Cut“ zurück ins Jahr 1915 und erzählt vom Schicksal der Armenier. Im Mittelpunkt steht dabei ein Vater, der verzweifelt seine zwei Töchter sucht, die er bei der Deportation verloren hat.
Akin ist allerdings wie gesagt nicht der einzige Vertreter aus dem deutschsprachigen Raum: Der Österreicher Ulrich Seidl stellt außer Konkurrenz seine Dokumentation „Im Keller“ vor. Und der in der Türkei geborene und in Berlin lebende Kaan Müjdeci hat es mit seinem Debütfilm „Sivas“ um einen Jungen und dessen Kampfhund in Anatolien sogar in den Wettbewerb geschafft.
Verliehen wird der Goldene Löwe am 6. September -- den Goldenen Löwen, vielleicht ja an einen Film mit deutscher Beteiligung.