London. . Andy Serkis wurde als „Gollum“ in „Herr der Ringe“ zum Star. Längst ist der Mann, der schon 2005 das menschliche Vorbild für „King Kong“ abgab, zu einem Spezialisten für Figuren geworden, die ohne Computertechnik nie filmreif werden könnten. Ein Gespräch über verstecken und erkennen.

Im Grunde ist Andy Serkis ein normaler Schauspieler. Doch die Karriere des 50-Jährigen nahm eine radikale Wende, als er auf Peter Jackson traf. Der Regisseur gab Serkis die Rolle des "Gollum" in der "Herr der Ringe"-Trilogie und engagierte ihn 2005 noch für das Remake des Klassikers "King Kong". Nun glänzt er als Affen-Chef Caesar, den er in „Planet der Affen – Revolution“ zum zweiten Mal verkörpert. Patrick Heidmann sprach mit Serkis.

Mr. Serkis, noch mal ganz kurz bitte: Was ist das Motion-Capture-Verfahren im Unterschied zum Synchronsprechen?

Andy Serkis: Ich leihe nicht einfach nur meine Stimme einer Figur. Ich stehe immer selbst vor der Kamera, ob als Gollum im „Hobbit“ oder eben als Affe. Da trage ich dann immer diese engen Ganzkörperanzüge, die – genau wie mein Gesicht – mit ganz vielen Sensoren versehen sind. Jede Bewegung, jede Mimik, die man im Kino später bei diesem Schimpansen sieht, stammt also von mir.

Wie ist das Reizvolle daran?

Serkis: Es geht nur um das schauspielerische Können, alles andere ist egal. Mit Motion Capture lösen sich Geschlechts-, Rassen- oder auch Altersbarrieren auf. Solange er es körperlich glaubwürdig hinbekommt, könnte ein zarter schwarzer Teenager auf diese Weise einen in die Jahre gekommenen asiatischen Bodybuilder spielen. In Zeiten, in denen immer noch viele Menschen alles stur in Schwarz und Weiß, Mann und Frau unterteilen, finde ich eine solche Entwicklung auch jenseits des Filmemachens sehr begrüßenswert.

Und die Eitelkeit des Schauspielers leidet darunter nicht?

Motion Capture

Beim Motion-Capture-Verfahren werden die Bewegungen eines Schauspielers mithilfe von Sensoren am Körper (ähnlich den Elektroden beim EKG) aufgezeichnet. Aus den Punkten wird im Computer eine Art Gitterfigur.

Diese Figur kann dann beliebig bearbeitet und etwa mit Fell oder Haut ausgestattet werden. Das Verfahren wird auch bei modernen Videospielen wie der „Fifa“-Serie von EA Sports verwendet.

Serkis: Ich wurde sowieso nicht wegen meiner Eitelkeit Schauspieler. Ich bin ein ziemlich schüchterner Kerl, der nichts lieber mag, als sich hinter einer Rolle zu verstecken. Ich hatte immer das Gefühl, dass ich eine Figur umso wahrhaftiger verkörpern kann, je weiter sie von mir als Person entfernt ist.

Erkennen Sie sich in Figuren ei­gentlich noch wieder?

Serkis: Natürlich, in jedem einzelnen Gesichtsausdruck. Die Technik ist ja enorm präzise, da wird wirklich jede noch so kleine Nuance meiner Mimik auf das Gesicht der Filmfigur übertragen. Was man auf der Leinwand sieht, ist eins zu eins meine Performance. Auch meine Frau oder andere Menschen, die mich gut kennen, werden mich immer erkennen, ob in Gollum, in Kong oder nun in Caesar.

Und Ihre Kinder finden das nicht etwas seltsam, den Papa dann als Affen auf der Kinoleinwand zu sehen?

Auch interessant

Serkis: Meine Kinder waren immer mit am Set, egal ob ich mich in Gollum, Kong oder Caesar verwandelt habe. Die wissen, was wir da machen. Zum anderen gehören sie einer Generation an, für die alles nicht halb so schwer verständlich ist wie für viele andere. All diese Computersachen sind für die Kinderkram. Die sehen dort drüben Papa vor der Kamera, aber einen Affen auf dem Bildschirm – das ist für sie nichts anderes als wenn man Wii spielt, wo man bowlen kann ohne eine Kugel in der Hand zu haben.

Es gibt Diskussionen darüber, ob Motion-Capture-Performances wie Ihre eigentlich um den Oscar konkurrieren sollten...

Serkis: Im Moment geht es immer noch darum, die Leute erst einmal über das genaue Verfahren aufzuklären. Vor allem die Schauspielgemeinschaft muss begreifen, worum es da geht. Denn die darstellerische Leistung kommt auch bei diesem Verfahren nicht von Technikern, die am Computer auf ein paar Knöpfchen drücken. Verantwortlich dafür ist ein Schauspieler – und der wird auch künftig niemals zu ersetzen sein. Nur die Optik stammt von den Spezialeffekt-Experten. Solange meine Kollegen das nicht verinnerlicht haben, wird das mit den Oscars noch dauern. Aber es geht mir dabei mehr um Verständnis und Respekt, weniger um irgendwelche Auszeichnungen.