Essen. Das Festival und die Tanz-Abteilung der Folkwang-Hochschule fördern Nachwuchs mit György Ligetis „Etudes“. Ein gewagtes Projekt, an dessen Gelingen Tanzstudio-Leiterin Henrietta Horn anfangs nicht unbedingt geglaubt hat. Aufführung am Sonntag, 6. Juli, um17 Uhr im Essener Pact Zollverein.
Sie hasten vor, als ginge es um eine wilde, verwegene Jagd. Dabei scheint dieses Trio, das den Raum durchmisst, seltsam orientierungslos. Ein paar Schritte nur, dann plötzliches Verharren, als stünde da eine imaginäre Mauer. Kurzer Richtungswechsel, und weiter geht dieser exzessive Tanz ums schwarze Klavier, derweil aus den Lautsprechern György Ligetis 13. Etüde „Die Teufelstreppe“ satanisch aufzuckt.
Luiza Braz Batista, Yves Ytier und Léonor Clary haben diese atemlose, polymetrisch dahinhetzende Musik zum Ausgangspunkt einer eigenen Choreographie genommen. Luiza ist Mitglied im Folkwang Tanzstudio, die beiden anderen sind in der Ausbildung zum „Bachelor of Arts Tanz“. Das Trio bildet eine von elf Gruppen, die sich mit der Musik Ligetis, teils auch mit neuen Werken, kreativ auseinandersetzen. Ein großes Projekt unter dem Titel „Etudes“, das die Education-Abteilung des Klavier-Festivals Ruhr in Kooperation mit der Folkwang Universität der Künste initiiert hat.
Musikstudenten komponieren parallel
Das ist für alle Beteiligten eine ziemlich neue Erfahrung. „Ligeti hat eigentlich nicht für den Tanz komponiert“, sagt die Choreographin und Tänzerin Henrietta Horn, die mit den Gruppen arbeitet. Anfangs habe gegolten, die Idee dieser Musik zu erkennen. Um daraus sinnfällige Bewegung abzuleiten. Und Horn betont den stark experimentellen Charakter dieses Projektes. Weil es eben auch ungewöhnlich sei für Tänzerinnen und Tänzer, sich mit gerade entstandenen, neuen Kompositionen auseinanderzusetzen.
Sie verweist damit auf die Zweigleisigkeit des gesamten Projektes. Neue Choreographien und musikalische Werke entstehen gewissermaßen parallel, am Ende muss sich eins ins andere fügen. Sieben Musikstudenten sind derzeit dabei, ihre Vorstellungen aufs Notenpapier zu bringen. Mit ihnen arbeitet der Komponist Vassos Nicolaou. „Für manche ist es das erste geschriebene Stück überhaupt“, sagt er.
Engagement von Pierre-Laurent Aimard
Ligeti ist auch hier der Ausgangspunkt. Doch gehe es nicht darum, Musik im Stile des Ungarn zu schreiben. „Die neuen Werke sind eher von dessen Kompositionstechnik inspiriert“, weiß Nicolaou. Teils werde Live-Elektronik eingesetzt, teils erklängen Instrumente solistisch: Klavier, Violine, Flöte, Posaune oder kleine Trommel haben die Studenten ausgewählt.
Ligeti als Ausgangspunkt ist im übrigen nicht einem Gedenktag geschuldet, sondern geht zurück auf die jahrelange Zusammenarbeit des französischen Pianisten Pierre-Laurent Aimard mit dem ungarischen Komponisten. Darüberhinaus ist Aimard dem Klavier-Festival treu verbunden. Bereits im April hat er die Teilnehmer des Projektes mit Ligeti und dessen Musik vertraut gemacht. Zugleich arbeitet Aimard an einer interaktiven Internetseite, die sich mit dem Werk Ligetis beschäftigt. „Unsere Projekt-Ergebnisse sollen darin einfließen“, sagt Tobias Bleek, Leiter der Education-Abteilung beim Festival.
Satan stürzt in die Hölle
Natürlich hat der Pianist auch die Ehre, die „Teufelstreppe“ live zu spielen beim wilden Tanz ums Instrument. Eine effektvolle Szenerie, bis am Ende Satan in die bassschwarze Hölle stürzt. Henrietta Horn jedenfalls spendet der Choreographie schon beim Probenbesuch großes Lob: „Eine tolle Arbeit. Ich habe anfangs nicht gedacht, dass es wirklich funktioniert.“
Die Ergebnisse des Projektes werden kommenden Sonntag (6.7., 17 Uhr) in Pact Zollverein zu sehen sein.