Essen. . Reggae und Calypso: Der 70-jährige Jazzpianist Monty Alexander holte beim Klavier-Festival Ruhr ein „JazzLine“-Konzert nach, das er vor zwei Jahren kurzfristig hatte absagen müssen. Umso mitreißender das jetzige in der Essener Philharmonie.
Den dicksten Blumenstrauß bekam der Pianist. War Monty Alexander doch unlängst (am 70. Jahrestag des „D-Day“) 70 geworden. Zudem holte er beim Klavier-Festival Ruhr ein „JazzLine“-Konzert nach, das er vor zwei Jahren kurzfristig hatte absagen müssen. Umso mitreißender das jetzige in der Essener Philharmonie.
Ein paar ausladende Läufe, ein bisschen rhapsodiert: Monty improvisierte sich in die Musik hinein. Noch bevor die Band einsetzte, wusste jeder, wo der Hammer hängt. Hier spielte der Virtuose, den ein „Experte“ mal auf Platz 5 der größten Jazzpianisten verortete; das Temperamentbündel, von dem Frank Sinatra meinte, „der Typ ist wie Dynamit“. Im Verlauf des Abends sollte Monty den Fuß auch mal vom Gas nehmen, mit raffiniert verzögerten Ein-Finger-Solos die Spannung fast bis zum Zerreißen steigern. Doch los ging’s mit einem Parforceritt à la „Wer kennt die Melodie?“: Splitter von „On Broadway“, „Night in Tunesia“, „Brazil“ flogen vorbei, changierend zwischen Swing-Gefühl und Karibikflair.
Bezeichnend schon die Aufstellung des Quartetts: den Kontrabassisten Hassan Shakur – der mit einem unbegleiteten Solo über „Manhã de Carnaval“ aus „Orpheu Negro“ glänzte – zur Linken, Drummer Carmen Intorre und Handtrommler Bobby Thomas jr. im Rücken, hatte der Pianist die Rhythmusgruppe buchstäblich hinter sich. Wollte er Blickkontakt, drehte er sich um, was dem präzisen Funktionieren des gut geölten Uhrwerks keinen Abbruch tat.
Natürlich spielte Monty auch „richtige“ Stücke, unausgesprochene Diener vor seinem Förderer Sinatra („I’ve Got You Under My Skin“, „Fly Me to the Moon“), ein Blues-Medley für Mentor Oscar Peterson, ein Reggae-Balladendoppel an den großen jamaikanischen Landsmann Bob Marley („Redemption Song / No Woman No Cry“). Am liebsten aber spielte er Versteck: mit Zitaten, Reggae-„Riddim“ in einem Jazz-Standard, „I Got Rhythm“ in einem Calypso. Zum Kehraus bat er seine singende Gattin Caterina Zapponi für den Italo-Klassiker „Estate“ auf die Bühne. Allerliebst.