Siegen. .

Für Apollo-Intendant Magnus Reitschuster hätte die Sache vor Gericht enden können. Das falsche Max-Ernst-Gemälde, das für den Gewinner der dritten Biennale vorgesehen ist, ist nicht nur kein Max Ernst; es ist auch nicht das Werk des verurteilten Kunstfälschers Wolfgang Beltracchi, als das die Theaterführung es angepriesen hat. Kunststudentin Laura Pees hat „La Horde“, wie Beltracchi das Bild nannte, kopiert. In Reitschusters Auftrag.

Den Gag weitergedreht

Ein falscher Max Ernst wäre schon schräg, läge aber in bester Siegener Biennale-Preis-Tradition. Jetzt allerdings ist die Fälschung als Kopie einer Fälschung entlarvt, der subversive Gag weitergedreht. Doch was ist „echt“, was ist Kunst – und was sagt die Tatsache, dass Beltracchis „La Horde“ es bis auf einen Katalog des Auktionshauses Christie’s schaffte, als alle Welt es für einen Ernst hielt, über den Kunstmarkt aus? Unter dem Namen Beltracchi hätte es dasselbe Gemälde wahrscheinlich nicht so weit gebracht.

Echt war auf jeden Fall der Wolfgang Beltracchi, der gestern Abend während eines Freigangs mit seiner Frau Helene im Biennale-Zelt erschien – auf eigenen Wunsch, Honorar gab es nicht. Aus der Zeitung hatte er erfahren, dass im Apollo die Kopie seines Werks als Preis ausgelobt ist. Er nimmt es mit Humor. „Sie hätten auch das Recht gehabt, uns wegen Fälschung zu verklagen“, so Intendant Reitschuster. Beltracchi: „Da wäre ich wohl der letzte.“

Statt dessen setzt er seine Kosignatur auf die Rückseite des Bildes und legitimiert so die Kopie. Laura Pees signiert vorne. Die 23-Jährige ist erleichtert, „dass sich alles positiv entwickelt hat“. Etwas nervös sei sie gewesen – „auch rechtlich“.

Passiert wäre ihr nichts. In einem Vertrag übernimmt der Intendant die Verantwortung für den „ernsten Spaß“, wie Reitschuster es in Anlehnung an Goethe nennt. Vielleicht hätte der Apollo-Chef den Kunstfälscher sogar im Knast getroffen. Zugegebenermaßen ist ein Treffen im Biennale-Zelt die nettere Variante.

Sympathisch ist er, dieser Beltracchi. Aber bei aller Euphorie des Apollo-Theaters um den Coup: Mit Beltracchi kam ein gewerbsmäßiger Betrüger. Zu sechs Jahren Haft wurde er 2011 verurteilt, die er im offenen Vollzug der JVA Euskirchen absitzt. Seine Frau Helene wurde mittlerweile aus der Haft entlassen.

Kriminelle Energie

Mit viel krimineller Energie haben sie Menschen um viele Millionen Euro gebracht. Geschädigt wurde indirekt sogar jeder Bürger. Denn den Schaden tragen auch die vom Steuerzahler finanzierten Museen. Verklärt wird Beltracchi aber vielfach als Jahrhundertfälscher. Er tingelt durch Talkshows, wird hofiert und allenfalls ansatzweise hinterfragt. Viel häufiger schwingt Bewunderung mit. Die Zeit widmet ihm seitenweise Platz und ein Interview. In Bad Godesberg las das Ehepaar Beltracchi am Samstag bei einem Literaturfestival aus seinem Buch: eine Autobiografie und ein Briefwechsel aus dem Knast.

Immerhin: Das Auffliegen Beltracchis warf Licht auf eine Szene, die im diffusen Halbdunkel liegt: der Kunsthandel als Zockermilieu, als ein Markt der Gierigen – also getreu dem Motto der dritten Siegener Biennale „Märkte & Menschen“.