Wien.

Er ist der Beständige unter Europas großen Pianisten. Die Karriere des Rudolf Buchbinder währt nun schon Jahrzehnte. Abnutzungserscheinungen gibt es nicht. Der als Meisterinterpret Beethovens und Schuberts geltende Musiker hört nie auf, zu suchen, zu forschen.

Nehmen Sie die Frage bitte als Kompliment: Wie wird man eine Institution, Herr Buchbinder?

Rudolf Buchbinder: Schwierige Frage! Sich selbst zu beurteilen, ist das Allerschwierigste, als Künstler zumal. Ich glaube, es ist meine Konstanz. Ich bin über 50 Jahre auf dem Konzertpodium und ich hatte immer eine sehr professionelle Einstellung zu diesem Beruf. Mir scheint das eine sehr wichtige Voraussetzung

Sie wirken im Konzert äußerst ruhig, extrem fokussiert...

Ich bin tatsächlich immer in einem gewissen Trance-Zustand, wenn ich auf die Bühne gehe. Dabei muss ich Ihnen ehrlich sagen, dass ich sehr nervös bin vor jedem Konzert.

Nervös bei solcher Erfahrung und diesem enormen Können?

Aber ja. Je älter ich werde, desto nervöser werde ich. Als Jugendlicher bin ich wirklich wesentlich unbekümmerter auf die Bühne gegangen als heute.

Heißt einer der Besten zu sein, also immer noch mehr zu wollen?

Man stellt sich die Latte immer höher. Das Schwierigste ist, die eigenen Erwartungen zu erfüllen. Wenn man die Erwartungen des Publikums erfüllt, ist das einfach zu wenig. Man muss sie übertreffen.

Versuchen Sie das pausenlos, auch bei Stücken, die Sie traumwandlerisch sicher beherrschen?

Schauen Sie, wenn ich eine bekannte Beethoven-Sonate, eine Waldstein, eine Pathétique übe, also eine, die ich hunderte Male gespielt habe, dann bin ich nicht fertig mit ihr, da liegen verschiedenste Ausgaben auf meinem Klavier. Und ich muss dauernd unterbrechen, ich schaue etwas nach, ich vergleiche. Es ist ein ewiges Arbeiten an mir selbst. Meine Lebensmaxime lautet: Wer glaubt etwas zu sein, hat aufgehört, etwas zu werden.

Ihre letzten großen Aufnahmen sind allesamt Live-Mitschnitte. Hat das besondere Gründe?

Ich gehe ganz bewusst nicht mehr ins Studio. Es gibt drei entscheidende Dinge, die im Studio komplett fehlen: Spontaneität, Emotion und vor allem Nervosität.

Nervös zu sein, tut dem Spiel gut?

Aber ganz klar, da kommt etwas hinzu, was man nicht leicht kontrollieren kann. Auf einem echten Konzertpodium lässt man seiner Stimmung freien Lauf. Aber das ist nichts Schlimmes, gerade weil ich mich so akribisch vorbereite: Durch mein Wissen bin ich frei. Das schenkt einem eine Bremse, ganz hinten im Kopf. Man weiß, wie weit man gehen kann.

Der Markt spuckt so viele Klassik-Stars aus wie nie zuvor. Sind die eilig gehypten, fürs Cover schön gestylten, jungen Talente zu bedauern? Werden sie verheizt?

Ach, verheizt nicht. Zum Verheizen gehören ja immer zwei. Natürlich gibt es einen anderen medialen Druck, es ist alles schneller geworden, es gibt diese Eventkultur. Und leider gibt es ein Feuilleton, das immer öfter zur Klatschspalte wird.

Was wünschen sie einem ganz jungen Kollegen heute?

Ich wünsche ihm alles Gute, bloß nicht, dass er eine Sensation ist.

Warum denn das?

Eine Sensation kann man nicht wiederholen.