Essen. Ehrgeiziges Doppel: Ralph Fiennes spielt den englischen Meistererzähler Charles Dickens und führt im selben Film auch noch Regie. Üppig ausgestattet ist das ehebrecherische Tableau um “The Invisible Woman“, doch dem Ganzen fehlt es spürbar an großen Gefühlen.
Die Geschichte der heimlichen Liebe zwischen Charles Dickens und der Schauspielerin Ellen Ternan ist der delikate Kern des detailfreudig ausgestatteten Kostümfilms „The Invisible Woman“ (dt. „Die unsichtbare Frau“), mit der Schauspielstar Ralph Fiennes seine zweite Regiearbeit vorlegt und als Dickens auch noch die Hauptrolle spielt.
Der Film setzt in den frühen 70er-Jahren des 19. Jahrhunderts ein. Ellen „Nelly“ Ternan (Felicity Jones) ist eine verheiratete Frau mit außerordentlichen Kenntnissen über das Werk des unlängst verstorbenen Schriftstellers Charles Dickens. Bei der Vorbereitung eines Leseabends setzen Erinnerungen ein, das Geschehen blendet 13 Jahre zurück. Nelly ist die jüngste von drei schauspielernden Schwestern, deren Mutter Frances Ternan (Kristin Scott Thomas) beste Kontakte zum Kulturbetrieb unterhält; auch zu Dickens.
Die Reize einer jungen Frau
Bei der Bühnenaufführung eines Dickens-Romans offenbart sich Nelly zwar als schlechte Schauspielerin, dafür ist sie umso bewandter mit dem geschriebenen Wort ihres Helden Charles Dickens. Der fühlt sich geschmeichelt und ist auch sonst von den Reizen der jungen Frau zunehmend angetan. Eine sanfte Affäre nimmt ihren Lauf, die jedoch nicht an die Öffentlichkeit gelangen darf, denn Dickens ist noch mit Catherine Hogarth verheiratet, mit der er zehn Kinder hat.
Claire Tomalins biografischer Roman „Charles Dickens: A Life“ lieferte die erzählerische Grundlage für diesen Film um eine romantische Liebe, der aber auffällig bemüht ist, jegliche melodramatische Stimmung zu umgehen wie die Katze den heißen Brei. Prinzipiell kommen Regisseur Ralph Fiennes und Drehbuchautorin Abi Morgan („Die eiserne Lady“) dem egozentrischen Charakter Dickens’ und dem zugeknöpften Moraldünkel des viktorianischen England sehr nah, zugleich aber entziehen sie dem Zuschauer den Raum, sich für die Figuren und ihre Konflikte zu erwärmen.
Eingeschnürtes Starvehikel
Derart eingeschnürt gefällt sich der Film zuvorderst als Starvehikel für den als Dickens allzu furios auftrumpfenden Fiennes und die sorgfältige Ausstattung. Gerechterweise blieb der erwartete Preisregen aus.
Beim Oscar und beim Britischen Filmpreis gab es lediglich Nominierungen für die Kostümgebung. Die Qualitätsproduktion im gediegenen BBC-Stil vernachlässigt eben einen entscheidenden Faktor – das Gefühl.