Essen. . Während die szenische Aufbereitung von Händels Barockoper „Ariodante“ durch den Niederländer Jim Lucassen eher im Konventionellen blieb, glänzten vor allem die weiblichen Gesangsparts durch hervorragende Höhen.

„Orlando“, „Semele“, „Hercules“ und nun „Ariodante“: Das Essener Aalto-Theater setzt seit Jahren wohldosiert auf die barocken Raritäten Georg Friedrich Händels und darf sich da vor allem durch die musikalische Qualität der Treue der Belcanto-Fans sicher sein. Denn was die Essener Philharmoniker – als städtisches Opern- und Konzertorchester der stilistischen Bandbreite verpflichtet – unter der Stabführung ausgewiesener Barockspezialisten, wie jetzt des Engländers Matthew Halls, historisch informiert wie inspiriert dem Graben entströmen lassen, braucht in der weiteren Region keine Vergleiche zu scheuen.

Geschichte aus dem Ritterroman

Demgegenüber siedelt die szenische Aufbereitung durch Jim Lucassen, der mit „Ariodante“ sein Essener Debüt gab, eher im Bereich des Konventionellen. Vor allem in den ersten beiden Akten strapazierte der Niederländer trotz netter Ballett-Einlagen (durch die Statisterie des Hauses) die Geduld. Viel Türenschlagen und verschiebbare Wände des großen grauen Einheitsraumes (Bühne und Kostüme: Ben Baur) und der bis zum Anschlag ausgereizte „Effekt“ der Drehbühne sind kein Garant für einen fesselnden Opernabend. Dabei hat es die Geschichte (ihre Substanz stammt aus Ariosts Ritterepos „Orlando furioso“, einer im Barock beliebten Quelle für Librettisten) durchaus in sich.

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Mit Ariodante, Verlobter der Königstochter Ginevra, den sein Widersacher Polinesso (Ieva Prudnikovaite vokal wie auf den Leib geschneidert) durch eine Intrige aus dem Weg räumen will, um selbst Ginevra zu heiraten, zeigt Händel einen gebrochenen Helden, mehr mit Seele als traditionellem Pathos.

Kein Happy End

Als am Ende Polinessos Intrige, der wie Jago im „Othello“ gezielt den Helden an der Unschuld der Braut zweifeln lässt, aufklärt, will sich bei Lucassen kein Happy End einstellen. Statt des prachtvollen Schlusschores – auf den Chor verzichtet man in Essen gänzlich – verklingt der Abend mit einem traurigen Thema aus dem zweiten Akt. Es sind die Frauen, die sich in dem vom Regisseur als Familiengeschichte angelegten Abend am Ende verweigern, dem Verschiebebahnhof des Glücks misstrauen.

Die Premiere geriet größtenteils zum Sängerfest. Die für Michaela Selinger in der Titelpartie eingesprungene Tamara Gura glänzte nicht nur mit emotional aufgeladenem Koloraturen-Gewitter, sondern verlieh ihrem Mezzo auch Größe im Lamento. Katharina Bergrath (statt Christina Clark) gab „ihrer“ Dalinda lichte-mädchenhafte Sopranhöhe. Und Olga Pasichnyk setzte (wie schon als Semele) stilistisch wie technisch Maßstäbe. Bis auf den präsenten Albrecht Kludszuweit als Odoardo ließ die Herrenriege mit Almas Svilpa als König und Michael Smallwood als Lurcanio auch Höhen-Wünsche offen.

  • Zu sehen bis 18. Juni. Karten: 0201/81 22 200