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Zurückgezogen lebte Gabriel García Márquez zuletzt mit seiner Frau Mercedes in Mexiko-Stadt. Interviews gab er ohnehin kaum, seine öffentlichen Auftritte waren rar. Das letzte Mal zeigte sich García Márquez am 6. März an seinem 87. Geburtstag am Zaun seines Hauses. Er lächelte, nahm Glückwünsche entgegen und kleine Geschenke. Er wurde verehrt.
Am Donnerstag ist García Márquez gestorben. Letzte Woche hatte seine Familie sich entschlossen, den Schwerkranken aus dem Spital nach Hause zu holen. Da lebte er längst in Dunkelheit, zum langem Krebsleiden war Demenz hinzugekommen. Der große Erzähler hatte sich aus dieser Welt schon im Leben verabschiedet.
Er war der erfolgreichste der alten Erzähl-Patriarchen. 400 Millionen Mal haben sich seine „Hundert Jahre Einsamkeit“ verkauft; und der Nobelpreis 1982 galt ja nicht nur diesem Roman, sondern dem Erfinder des Magischen Realismus: ein Markenbegriff für die Literatur eines Kontinents, ohne den selbst eine Isabel Allende kaum zu Weltruhm gelangt wäre.
Dabei war García Márquez gar kein typischer Südamerikaner, auch wenn er 1927 an der kolumbianischen Atlantikküste zur Welt kam. „Gabo“, wie seine Freunde ihn nennen durften, hasste die Trägheit der unvermeidlichen Siestas, denen er stets das Hämmern seiner Schreibmaschine entgegengesetzt hat. Anders wären wohl auch etliche der Zigtausend Romanseiten, die seit seinem Erstling „Laubsturm“ (1955) entstanden, ungeschrieben geblieben.
Selbst die Nobelpreisverleihung, die andere in ein Schreibtief getrieben hat, schien García Marquez nur noch weiter angespornt zu haben. Danach legte er mit der „Liebe in Zeiten der Cholera“ ein zweites Jahrhundertbuch vor.
Vielleicht sind die Eltern dran schuld, die ihren „Gabito“ schon frühzeitig überall als „Wunderkind“ herumzeigten. Sie und seine Großmutter legten mit ihren vielen Dönekes allemal das Fundament eines Roman-Oeuvres, das Welt- und Militär- und Sozial- und Herrschaftsgeschichte als Familiengeschichte erzählt, als von Menschen gemachte, veränderbare Geschichte. So stand Márquez lange treu und nicht unkritisch an der Seite seines Freundes Fidel Castro, den er nicht zuletzt stets bewundert hat dafür, dass er drei, vier, fünf Stunden am Stück reden konnte – und unermüdlich gearbeitet hat.
Gelbe Rose auf dem Schreibtisch
Im Vergleich darf man die mystischen Momente seines Erzählens, den Aberglauben, der den Realismus mit Magiestreuseln versieht und selten ohne ein gewisses Augenzwinkern daherkommt, getrost zur ortsüblichen Folklore zählen. So wie die gelbe Rose auf seinem Schreibtisch, ohne die er nicht arbeiten zu können glaubte. Bremsen konnten diesen Schreibberserker nur das Alter und die Krankheit. Schöner als der Meister es im ersten Teil seiner Memoiren getan hat, lässt sich vom Grund, Dichter zu sein, kaum sprechen: Leben, um davon zu erzählen.